Er hatte sich ein wenig herausgeputzt. Sein dunkles Haar hatte er leicht in Kontur gebracht, sein Drei-Tage-Bart war weg und seine Schuhe poliert. Heute war ein wichtiger Tag für ihn und seine Frau. Er nahm die Blumen aus der Vase und ging zum Treffpunkt. Noch 30min. Im Frühjahr seines 16. Lebensjahres, war sie im wahrsten Sinne des Wortes in sein Leben gekracht. Auf seinen Weg zur Schule waren sie an einer Straßenkreuzung im den Fahrrädern ineinander gefahren. Beiden war nicht viel passiert, nur hatte sie sich leicht am Knöchel verletzt. So konnte er sie nicht einfach so gehen lassen und brachte sie noch zu ihrer Schule, was natürlich darauf hinauslief, dass er zu spät zu seinem Unterricht erschien. Den ganzen Tag ging ihm nicht mehr das Mädchen aus dem Kopf. Sie war wunderschön und dazu ein wenig trotzig gewesen. Nach der Schule fuhr er zu ihrer Schule um zu schauen, ob er sie dort wiedersehen konnte. Zu seinem Glück sah er sie dort an der Eingangspforte, wo er sie der Schulhofsaufsicht übergeben hatte. Ihre helle Schuluniform und ihre dunklen Haare gaben einen schönen Kontrast. Als sie ihn sah lächelte sie leicht errötet und kam mit etwas wackeligen Schritten zu ihm. Die Kirschblüten glitten an ihr vorbei. Sie fragte ihm, ob er denn nur gekommen sei, um sein Pflasterparket wiederzuholen, dass er ihr gegeben hatte. Er schüttelte leicht den Kopf und sagte nur, dass er eh hier vorbei musste, um nach Hause zu kommen, was wohl die schlechteste Lüge in dieser Situation war. Er bat der Schulhofsaufsicht ihr Fahrrad bis morgen hier aufzubewahren, weil sie sonst eine übergroße Last nach Hause schleppen musste. Er Setzte sie auf seinen Gepäckträger und fuhr sie nach Hause. Der weg war lang und relativ bergig. Ein Mädchen wie sie musste sicher sehr früh aufstehen um pünktlich an der Schule anzukommen. Sie fragte ihn natürlich immer wieder, ob sie doch nicht lieber absteigen sollte, doch er widersprach ihr. Sie lotste ihn zu ihr nach Hause, einem kleinem Wohnblock am Westlichen Ende der Stadt. Als er sich von ihr Verabschiedete, versprach er ihr, sie morgen früh abzuholen. Trotz anfänglicher Proteste willigte sie ein und er sollte sie um 6Uhr früh abholen. Auf der Heimfahrt konnte er nicht aufhören zu lächeln. Es war ein sehr warmes, schon etwas kitzelndes Gefühl in seiner Brust und wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Er hatte sich in sie verliebt. Seither waren sie täglich zur Schule gefahren. Er erzählte ihr von seiner Leidenschaft, die Kunst, und sie erzählte ihr von ihrer Leidenschaft des Ballett-Tanzens. Er wollte sie irgendwann mal beim Tanzen malen. So verstrich der Frühling und seine erste Liebe ward gefunden. Die Tage wurden länger und wärmer. Er ging zu Fuß. Auch wenn der Weg weit war wollte er nie mit dem Auto hin. Es war ein idyllischer Ort und so sollte er auch bleiben. Sie wollte nicht vom Motorenlärm gestört werden. Noch 20min. Jede offene Zeit trafen sich die beiden. So ziemlich alles machten sie zusammen. Eines Tages abends kamen sie sehr spät zu ihr nach Hause zurück. Unter einer Straßenlaterne hatte er sie angeschaut und seine Liebe zu ihr gestanden. Sie war zuerst etwas überrascht und meinte, dass er wohl einen schlechten Sinn für Humor hätte, da man drüber keine Witze mache. Darauf hatte er sie zu sich gezogen und geküsst. Sie erwiderte den Kuss mit Leidenschaft und griff nach seiner Hand. Das Licht der Laterne flackerte leicht, als er sich etwas von ihr löste. Beide hielten ihre Hände bis zur Ankunft vor ihrer Haustür. Sie gab ihm zum Ende nochmal einen Kuss auf die Wange und eilte dann in ihr Apartment, welches sie mit ihren Eltern bewohnte. Dann kam der Sommer mit vielen Examen. Treffen war kaum mehr möglich, doch jeden Morgen fuhren sie zusammen zur Schule. Bald kamen die Ferien und sie würde für die Zeit zu ihren Großeltern Fahren. Deswegen wollte er noch davor mit ihr was unternehmen. Doch war es nicht er, der mit der Idee des Anlasses kam, sondern sie. Eines Abends fragte sie ihn in einer SMS, ob er nicht mitkommen wollte, um das Feuerwerk in ihrer Nähe zu sehen. Er willigte sofort ein und sie trafen sich bei ihr. Sie brachte ihn an einen kleinen Hügel, von wo man einen wundervollen Blick auf die Landschaft und den Sonnenuntergang hatte. Sie sagte, dies sei ihr Lieblingsplatz. Kaum war die Sonne untergegangen, so fingen schon die ersten Feuerwerke die Nacht zu erhellen. Rote, grüne, blaue Feuerblumen erschienen kurz und erlöschen ebenso schnell. Sie schauten sich an und lächelten, alsbald sie darauf sich zärtlich küssten. Plötzlich war sie in seinen Armen zusammengebrochen. Verzweifelt versuchte er sie wieder wach zu bekommen. Als er sie etwas stabilisiert hatte, hatte er sie auf den Rücken genommen und sie bis zum Krankenhaus getragen. Die ganze Zeit hielt er ihre Hand und blieb zwei Tage lang bei ihr, bis sie endlich wieder zum Bewusstsein gekommen war. Er war sehr erleichtert. Jedoch war etwas anders in seinem Leben ab diesem Zeitpunkt. Er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie wieder ihr Bewusstsein verlor und vielleicht nie wieder wach wurde. War es schon damals schwer gewesen dorthin zu kommen bei der Hitze, die sich über den Tag herab gelassen hatte, so war es nun, wo er nicht mehr der Jüngste war, umso schwieriger. Noch 10min. Es vergingen einige Jahre. Sie hatte nun es geschafft eine richtige Balletttänzerin zu werden und er hatte sich zum Künstler entwickelt. Er kam sehr oft zu ihren Vorstellungen und einmal versuchte er sie zu malen. Er hatte aber sein Bild nicht für gut genug empfunden, obwohl es ihr gut gefiel. Er meinte, dass ihre Eleganz und Freude nicht ausdruckbar waren mit Pinsel und Farbe. Sie erwiderte mit einem Lächeln, dass es ebenso schwer sei, ihre Gefühle für ihn in einem Tanz zu zeigen. Das Gefühl zueinander war sehr groß. Als sie bald darauf wieder auf dem Hügel waren hatte er ihr den Heiratsantrag gemacht. Sie hatte unter Tränen der Rührung zugesagt. Sie zogen zusammen in ein Haus in der Nähe von ihrer Wohnung. Er hatte alles hierfür aufgespart. Immer wieder waren sie gemeinsam an diesem Grundstück vorbei gegangen und hatten es sich angeschaut. Eines Tages wollten sie dort einziehen. Dies war nun 20Jahre her. Er ging leichten Schritts zu dem Hügel. Er ging zu ihr und gab ihr die Blumen in die Hand. Sie lächelte wie eh und je. „Alles Gute zum Jahrestag Schatz. Ich liebe dich“, sagte er zärtlich. Nach einer Weile ging er wieder weg. Es war niemand an diesen Ort. Nur eine Ballerina aus Bronze hielt lächelnd einen Blumenstrauß und blickte dem Sonnenuntergang entgegen.