Bayonetta 3

Actiongeladene Multiversumsreise zum ultimativen Franchise-Highlight.


Mein erstes Kennenlernen mit der mittlerweile namhaften Hexe Bayonetta stand unter keinem guten Stern. Obwohl zahlreiche Gaming-Zeitschriften den Hype-Train mitsamt überschwänglicher Previews vor der Erstveröffentlichung im Oktober 2009 ordentlich ins Rollen brachten, weigerte ich mich konsequent, meine persönliche Fanbrille abzunehmen und stempelte das erste Action-Abenteuer der smarten Heldin vorschnell als billige Devil May Cry-Kopie ab.


Nun werden Videospielkenner garantiert verwirrt den Kopf schütteln – und auch ich bereue meine anfängliche Abwehrhaltung bis zum heutigen Tage zutiefst. Immerhin zeichnete sich für Bayonetta niemand anderes als DMC-Schöpfer Hideki Kamiya höchstpersönlich verantwortlich, der nach seiner legendären Capcom-Zeit gemeinsam mit einigen Branchenkollegen das renommierte Entwicklerstudio PlatinumGames gründete und rasant bereit war, Dantes DNA in einen neuen virtuellen Körper zu injizieren. Ein Totschlagargument, das mich nach unnötig langem Zögern dann doch in die verführerischen Arme der Hexe lockte und mir zu einer längst überfälligen Erkenntnis verhalf: Bayonetta hatte sich nicht nur ihren Platz in dem hart umkämpften Genre, sondern nun auch in meinem Gamer-Herzen (natürlich an der Seite von Dante) redlich verdient.


Spätestens zur Ankündigung von Bayonetta 2 auf der Nintendo Direct im September 2012 hatte ich aus all meinen Fehlern gelernt, schaltete augenblicklich in den Vorfreude-Modus und legte mir zwei Jahre vor dem angepeilten Release-Datum sogar eigens für das Sequel eine Wii U zu. Eine Entscheidung, die ich nicht bereuen sollte, verbrachte ich doch unzählige Stunden mit der abgedrehten Fortsetzung und konnte der rasant zum Rohrkrepierer verdammten Hardware damit doch noch einen gewissen Nutzen abringen. Und verkürzte gleichzeitig unbewusst die erschreckend lange Wartezeit auf den Trilogie-Abschluss, der 2013 zwar bereits auf Twitter angedeutet wurde, offiziell jedoch erst im Dezember 2017 vorgestellt wurde.


Fünf Jahre (!) später darf ich Bayonetta 3 für die Nintendo Switch nun endlich in meinen Händen halten und Kreaturen aus Himmel, Hölle und irgendwas dazwischen nach allen Regeln der Hexenkunst den Hintern versohlen. Doch ob PlatinumGames den andauernden Entwicklungsprozess tatsächlich die gewünschten Serienverbesserungen erzielen konnte oder sich den beiden gefeierten Vorgängern geschlagen geben muss, verrate ich euch im Test.


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Viele Dimensionen, eine Gefahr


Eigentlich sollte man annehmen, dass kaum eine Bedrohung die schier unbesiegbare Umbra-Hexe Bayonetta wahrlich aus der Ruhe bringen können. Erbarmungslos agierende Angreifer aus Himmel und Hölle? Entlocken ihr höchstens ein leichtes Lächeln und einen coolen Spruch, bevor sie mit einem kräftigen Tritt in den Hintern ausradiert werden und die Erdbevölkerung ihr Fortbestehen feiern darf. Mit dem unerwarteten Auftauchen der von Menschenhand erschaffenen Biowaffen namens Homunkuli öffnet sich jedoch im wahrsten Sinne des Wortes eine, nein, sogar mehrere Dimensionen der Gefahr, die die gesamte Realität an den Rand der Zerstörung schubsen.


Simultan erscheint nämlich die junge Hexe Viola, die von einer völlig anderen Welt berichtet, in der Bayonetta und ihre Partnerin Jeanne von einem mächtigen Wesen namens Singularität getötet wurden. Ein Widersacher, dessen Ziel simpler kaum ausfallen könnte: Die alleinige Herrschaft über die Realität. Um dieses Bestreben in die Tat umzusetzen, überfällt dieser mithilfe der Homunkuli zahlreiche alternative Universen und radiert diese vollständig aus, bis er mit seinen gierigen Krallen eine einzige Wirklichkeit unter seine unanfechtbare Kontrolle bringen kann.


Noch scheint es allerdings einen schwachen Hoffnungsschimmer zu geben, einen lebensgefährlichen Rettungsplan, für den Viola die Hilfe der „echten“ Bayonetta und Jeanne benötigt. Diese sollen nicht nur den im Multiversum-Thema unglaublich versierten Wissenschaftler Sigurd ausfindig machen, sondern selbst auf Dimensionsreise gehen, um in Parallelwelten sogenannte Chaosgetriebe zu sammeln. Diese öffnen kombiniert nämlich einen Weg ins Alphaversum, das Singularität zum Hauptsitz erklärt hat und nur hier endgültig vom unheilvollen Treiben abgebracht werden kann.


Ein Abenteuerangebot, das die beiden Hexen logischerweise nicht ausschlagen können. Und so schwingt sich Bayonetta auf der erhofften Weltrettung durch verschiedene Universen und sieht sich dabei nicht nur mit allerlei Gefahren konfrontiert, sondern begegnet zugleich einigen alten und auch neuen Bekannten – und zwar alternativen Varianten ihrer selbst!



Polarisierende Weltenrettung mit Leerlaufproblematik


Die zunächst ungewohnt ambitioniert anmutende Haupthandlung von Bayonetta 3 entpuppte sich beim Test rasant als zweischneidiges Hexenschwert, das die weltweite Fangemeinde zweifelsfrei spalten und online für einige ausschweifende Diskussionen sorgen wird. Und dabei ist es nicht nur der qualitative, sondern vor allem auch der inhaltliche Aspekt, der im thematischen Mittelpunkt stehen dürfte.


Nach einem packenden Einstieg mitsamt einem gelungenen Ausrollen des narrativen Rasens wird die erzählerische Ebene durch das andauernde Action-Gameplay nämlich vehement in den Hintergrund gedrängt und vereinzelt für einige kurze Zwischensequenzen an die vorderste Front gepfiffen. Diese erinnern dann auch noch verstärkt an Filler-Episoden bekannter Animes, die zwar mit einem enorm hohen Unterhaltungswert ausgestattet sind, dabei aber ernstzunehmende Wichtigkeit vermissen lassen. Dadurch dümpelt das Mittelfeld trotz einiger Highlights – vor allem das Auftauchen der verschiedenen Bayonetta-Varianten – oftmals vor sich hin.


Kaum kommt die Zielgerade während der letzten Stunden aber in Sicht, schüttelt sich Bayonetta 3 nochmal wach, befreit das Multiversum aus der bisherigen Gimmick-Rolle und spielt alle Stärken der Vorgänger und des aktuellen Ablegers meisterhaft aus. Hier dürfen alte und neue Hauptakteure mit ihren charakterlichen Eigenschaften glänzen, schockierende Ereignisse ihre volle Wirkung entfalten und die Weichen in eine ungewisse Serienzukunft gestellt werden. Hätte PlatinumGames dieses Tempo früher angezogen und die verschiedenen Dimensionen nicht einfach nur als kleinere Events zwischen dem einleitenden und schließenden Highlight-Akt konzipiert, wäre der Kampf gegen Singularität zweifelsfrei mit deutlich mehr Begeisterung behaftet gewesen.


Allerdings handelt es sich dabei nicht um den von mir angedeuteten Streitpunkt, den ich aus Spoilergründen logischerweise auch überhaupt nicht ausführlich ausbreiten möchte. So viel sei geschrieben: Das epische Finale konfrontierte mich mit einigen völlig überraschenden und unverhofft mutigen Entwicklungen, die ich in dieser Form keineswegs erwartet hätte – und vor allem von der verblüffend anderen Tonalität angetan war. Es bleibt abzuwarten, ob der eingeschlagene Weg nun auf ewig als Status quo bestehen bleibt oder das etablierte Multiversum zum Revidieren getroffener Entscheidung dienen wird. Doch gerade diese momentane Ungewissheit ist es, die für Gesprächsstoff sorgen und positive sowie negative Meinungen heraufbeschwören wird.


Ob ihr euch nun dem Pro- oder dem Kontra-Lager anschließen werdet, eine gewisse Ernüchterung bleibt irgendwie an beiden Fronten erhalten. Denn obwohl die Rahmenhandlung von Bayonetta 3 unterm Strich das Prädikat Zufriedenstellend verdient hat, wäre mit etwas mehr Struktur und optimiertem Pacing deutlich mehr möglich gewesen. Und nach so einer langen Wartezeit verpasst solch eine verpasste Chance meinem Herz schon einen leichten Stich.



Wenn Perfektion noch perfekter wird


Sicherlich wird es nun also einige loyale Franchise-Anhänger geben, die angesichts des vergleichsweise schwachen Plots mit einer gewissen Enttäuschung zu kämpfen haben. Allerdings ist es nun mal ein Fakt, dass auch die narrative Ebene der beiden Vorgänger keine Auszeichnung verdient hat und eher als Mittel zum Zweck diente, die Heldin in den Angriffsmodus zu versetzen. Bayonetta 3 bildet keine Ausnahme: Denn auch hier muss ich für die Weltrettung allerlei garstige Kreaturen nach allen Regeln der Hexenkunst vermöbeln und dabei eine verboten verführerische Figur machen.


Getreu dem Motto Never change a running system orientiert sich PlatinumGames dann auch am eigens erschaffenen Kampfsystem. Oberflächlich betrachtet scheint dieses auf den ersten Blick kaum Veränderungen an Bord zu haben, weshalb sich also vor allem Fans direkt heimisch fühlen und mit simplen Tasteneingaben rasant verschiedene Standardattacken vom Stapel lassen. Gegnerische Konter sollten derweil aber weiterhin nicht ignoriert, sondern vielmehr antizipiert werden. Wird das Ausweichmanöver nämlich mit korrektem Timing ausgeführt, tritt temporär die Hexenzeit (aka die Zeitlupe) in Kraft, woraufhin ich regelrecht eingefrorene Feinde mit meinem taktischen Vorteil direkt eins auf die bestialische Zwölf geben darf. Ein herrlicher Spaß, der gefühlt niemals langweilig wird.


Komplexer wird das Ganze durch ein erweitertes Waffenarsenal, das die Auswahl der Vergangenheit locker in den Schatten stellt. Neben den altbekannten Pistolen kriege ich nun mehr abgedrehtes Equipment denn je in die Hände, mit dem ich meiner Dämonenklopperei einen abwechslungsreichen Anstrich verpassen darf. Normalerweise würde ich explizite Beispiele ausführen, aus Spoilergründen möchte ich mir allerdings auch hier bedeckt halten – denn diese phänomenalen Ausrüstungsideen verdienen beim ersten Einsatz ein gepflegtes Überraschungsmoment.


Okay, Mehr Waffen ist natürlich keine wirklich gravierende Innovation. Mit der Dämonenschergen-Mechanik wandern wir dann aber doch noch in angenehmes Neuerungsterritorium. Waren Bayonettas fulminanten Beschwörungen nämlich noch auf brachiale Finisher im Quicktime-Gewand beschränkt, darf ich ihre monströsen Helfer nun auch auf Knopfdruck beschwören und diese im Kampf aktiv steuern. Zwar wird diese zerstörerische Unterstützung durch meine Magieleiste zeitlich limitiert und lässt die obercoole Hexe zudem wehrlos zurück, erweist sich aber vor allem gegen hartnäckige Standard- und gigantische Boss-Gegner als willkommene Funktion, die elegant in das bisherige Kampfsystem integriert wird und somit nicht nur als sinnvolle Erweiterung, sondern gleichzeitig auch als frischer Wind fungiert.


All diese Aspekte sollten geschwind verinnerlicht werden, wird ein gekonntes Vorgehen doch redlich belohnt. Nach jeder Konfrontation mit unliebsamen Feinden wird meine Leistung nämlich mit einer Medaille ausgezeichnet, deren Wertigkeit durch die finale Zeit, die erzielte Kombo-Länge und den erlittenen Schaden berechnet wird. Je besser ich abschneide, desto mehr Bonuspunkte und Ingame-Währung kassiere ich. Stupides Knöpfchendrücken sollte also zu keinem Zeitpunkt auf der Agenda stehen.



Willkommen auf dem kämpferischen Hexenspielplatz


Addiert man nun alle mir zur Verfügung stehenden Manöver, Waffen und Dämonen zu einer kämpferischen Endsumme, ergibt sich eine unglaubliche Vielzahl spielerischer Möglichkeiten, die den Action-Strategen in mir erwecken und mich zur Zusammenstellung eines ebenso kreativen wie auch flexiblen Schlachtplans animieren.


Anfänger werden vor allem auf der niedrigen Schwierigkeitsstufe höchstwahrscheinlich zunächst dem Button-Smashing verfallen und damit zumindest Teilerfolge feiern, dank des zugänglichen Experimentiervorgangs aber recht schnell am eigenen Stil feilen. Anstatt sich nämlich müßig durch die Auswahlvielfalt probieren zu müssen, lassen sich in Bayonetta 3 jederzeit zwei Prügelwerkzeuge und drei dämonische Begleiter gleichzeitig ausrüsten und via Schultertaste oder Steuerkreuz blitzschnell wechseln. Insofern lege ich auf dem Schlachtfeld mit einem Set los, wechsle in einem passenden Moment meine Waffe, verteile weiter Dresche und setze abschließend noch auf ein anderes Magiemonster – der beste Weg, um eine Kombo in ungeahnte Höhen zu treiben. Erfreulicherweise sind diese Setups nach der Zusammenstellung nicht direkt in Stein gemeißelt, sondern lassen sich über das Optionen-Menü jederzeit nach Belieben anpassen, womit ein vorschnelles Beenden des aktuellen Kapitels dankenswerterweise umgangen wird.


Zusätzlich lassen sich Bayonetta sowie ihre magischen Folterinstrumente und angriffslustigen Verbündeten im Austausch mit gesammelten Samen jederzeit verstärken. Schnell ins Menü gehüpft, mein Angriffsrepertoire durch das Freischalten eines brandneuen Moves erweitert und schon darf meine bisherige Taktik um weitere Schritte aufgestockt werden. Darüber hinaus bietet sich ein kurzer Abstecher in die Bar des coolen Höllenwächters Rodin an, der unterschiedliche Items, stärkende Ausrüstungsgegenstände und farbenfrohe Outfit-Varianten anbietet.


Zugegeben: Zu Beginn des Tests war ich enorm skeptisch, ob PlatinumGames das im Kern simple, aber im Laufe der Serienvergangenheit liebevoll durchoptimierte Kampfsystem tatsächlich passend erweitern und diesem dadurch zu einem neuen Spielspaß-Höhepunkt verhelfen kann. Doch kaum hatte ich das Tutorial bewältigt, erste alternative Waffen in meine filigranen Hände bekommen und einen Blick auf die mir zur Verfügung stehenden Fähigkeitenliste geworfen, wurden jegliche Sorgen und Bedenken pulverisiert. Denn – und hier lehne ich mich mit vagem Blick auf einen potenziellen Nachfolger weit aus dem Fenster – besser kann man das Ganze nun wirklich überhaupt nicht umsetzen.


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Wer suchet, der findet


Überhaupt erweckt Bayonetta 3 das Gefühl, dass PlatinumGames die hauseigene Formel etwas mehr öffnen und der Fangemeinde dadurch etwas mehr Freiheit spendieren wollte. Neben dem nochmals um neue Facetten erweiterten Kampfsystem fallen nun nämlich auch die Schauplätze bedeutend offener aus, werfen also gekonnt die frühere Linearität ab und laden mich dazu ein, abseits der stilistischen Prügeleien auf Schatzsuche zu gehen. Bevor vorschnelle Kritiker wieder mit den Augen rollen: Nein, das Action-Adventure wird nicht zu einem weiteren Open-World-Erlebnis verwandelt, fällt der Vergrößerungsgrad doch bedeutend geringer aus.


Nehmt ihr die (weiterhin gut überschaubaren) Umgebung ausführlich unter die Lupe und nutzt zum Erreichen hoher Gebäude oder dem Überqueren klaffender Abgründe die Hilfe eurer dämonischen Freunde in Anspruch, werdet ihr definitiv nicht mit leeren Händen über die Level-Ziellinie schreiten. Neben optionalen Herausforderungsdimensionen erwarten euch nämlich noch versteckte Vinyl-Schallplatten, Spielkarten, Figuren und auch die Blutstränen Umbras, die ihr in Krähen-, Kröten- und Katzenform in euren Besitz bringen, dafür aber gelegentlich kleinere Geschicklichkeitsaufgaben lösen müsst.


Trotz der enormen Fülle an Sammelgegenständen braucht ihr allerdings keine Ermüdung zu befürchten. Einerseits lassen sich diese auf Wunsch problemlos ignorieren, andererseits wurden diese nicht einfach nur lieblos hingerotzt, sondern als wichtiger Teil des eigentlichen Leveldesigns mit einem gewissen Motivationsfaktor behaftet. Immer wieder entdeckte ich bei meinen Erkundungszügen geheime Bereiche oder weit entfernte, unerreichbar anmutende Objekte, die ich als Jäger kaum missachten konnte. Und die für das Einsammeln erforderlichen akrobatischen oder kämpferischen Herausforderungen als besonderen Anreiz verstand, mein Können unter Beweis zu stellen.


Obendrein sind all diese Schätze mit einem netten Nebeneffekt versehen, wodurch ich bei dieser Nebenmission zusätzlich angespornt wurde. Während neue Einträge in der Musik- und Artwork-Galerie primär die Herzen von Hardcore-Fans höherschlagen lassen, dürften Erweiterung der Gesundheits- und Magieleiste sowie das Enthüllen geheimer und mit weiteren Belohnungen gefüllte Bonuslevel die breite Gaming-Allgemeinheit interessieren. In puncto Umfang eröffnet das dritte Abenteuer der ikonischen Hexe also keinerlei Raum für Kritik.



Keine Zeit für Atempausen


Dabei bin ich noch gar nicht am Ende der enorm langen und abwechslungsreichen To-Do-Liste angekommen, wurde diese im Laufe meines Tests doch gefüllt stündlich erweitert, wobei auch einige altbekannte Franchise-Stärken erneut ausgespielt wurden. Beispielsweise erlaubt mir die angenehme Kapiteleinteilung das rasante Angehen bereits abgeschlossener, aber eben nicht perfektionierter Abschnitte. Hier darf ich dann höhere Schwierigkeitsgrade rocken, ein besseres Ranking erzielen, verpasste Geheimnisse nachträglich ins Visier nehmen oder bisher unbekannte Waffen-Dämonen-Kombinationen auf die Probe stellen.


Weil aber auch die hartgesottenste Hexe mal eine kurze Pause braucht, überreicht die namensgebende Heldin den abenteuerlichen Staffelstab stellenweise abermals an die Fan-Favoritin Jeanne und in der dritten Runde nun auch an den eingangs erwähnten Neuzugang Viola. Da diese sich an den etablierten Grundpfeilern des Kampfsystems orientieren, erfordert der Charakterwechsel keinerlei Umgewöhnungszeit, fühlt sich dank individueller Ausrüstungszusammenstellungen aber dennoch angenehm anders an. Wieso sollte man sich auch mit einer Hexe begnügen, wenn man direkt ein ganzes Trio haben kann?


Spätestens jetzt sollte Bayonetta 3 ausreichend spielerische Abwechslung und Herausforderung bieten, um auf der dünnen Redundanz-Eisdecke des Action-Genres erfolgreich bestehen zu können – PlatinumGames drückt umzingelt von überwältigenden Kämpfen und entschleunigenden Erkundungszügen aber dennoch lieber auf das schöpferische Gaspedal und blättert mit amüsanten Minispielen plötzlich völlig neue Gameplay-Seiten auf. So bewältige ich als Jeanne kurze Stealth-Sidescroller-Abschnitte, sorge im Rail-Shooter-Modus für explosive Ordnung oder verknüpfe die Klopperei mit einem unterhaltsamen Rhythmusspielchen.


Da all diese kleinen Ablenkung höchstens an der designtechnischen Oberfläche kratzen, nennenswerten Tiefgang also fast vollständig vermissen lassen, dürfen sie höchstens als nette Dreingabe in einem strenggenommen repetitiven Spielfluss bezeichnet werden. Diese Funktion erfüllen sie jedoch vortrefflich und garantierten, dass ich Langeweile während meiner gesamten Spielzeit von knapp 20 Stunden (inklusive nachträglicher Highscore- und Schatzjagd) problemlos fernhalten konnte.



Gebt der Hexe neue Hardware!


Generell haben Eintönigkeit, Ermüdung oder gar unliebsame Leerlauf-Passagen bei Bayonetta 3 kaum eine Chance. Bereits der Prolog bombardiert mich mit atemberaubenden und (Action-)filmreif in Szene gesetzten WOW-Momenten, schaltet also früh schonungslos mehrere Inszenierungsgänge nach oben und baut ein beeindruckendes Tempo auf, das abseits kleinerer Ausnahmen bis zum Abspann beibehalten wird. Dabei beweist das Team von PlatinumGames erneut, dass es ein Händchen für grandiose Kampfchoreografien, abstrakte Monsterdesigns und bildschirmfüllende Explosionen hat. Umso erfreulicher, dass der Fantasie von der Konzeptions- bis zur Umsetzungsphase scheinbar keinerlei Grenzen gesetzt wurden und blind alles in den Hexenring geworfen werden durfte, was auch nur annähernd einen Coolness-Daum nach oben verdient hat.


Leider kann das volle Potenzial dieses ambitionierten Vorgehens nur selten vollständig entfesselt werden, wofür primär die unzureichende Switch-Power verantwortlich ist. Dabei gleicht es zunächst fast schon schwarzer Magie, dass das temporeiche Action-Adventure tatsächlich die magische (und für viele Fans zweifelsfrei existenzielle) Framerate von 60fps erreicht und diese meistens auch vortrefflich halten kann. Wenig überraschend können einige Einbrüche vor allem während der überwältigenden Boss-Kämpfe mit in sich zusammenstürzenden Schauplätzen und Effektfeuerwerken kaum vermieden werden, fallen in ihrer Heftigkeit jedoch mild genug aus, um etwaige Störungen auf einem enorm geringen Niveau zu halten. Prinzipiell steht dem serientypischen Flow während der variantenreichen Gefechte also nichts im Weg.


Im Gegenzug müssen dann aber selbstverständlich andere Faktoren bluten – wie auch sonst sollte diese Framerate-Mammutaufgabe auf der hoffnungslos veralteten Nintendo Switch gemeistert werden? Matschige Texturen und detailarme Umgebungen werden dementsprechend zum Dauerbegleiter und versetzen mich stellenweise gefühlt sogar eine Konsolengeneration zurück. Einen katastrophalen Ausfall braucht ihr an dieser Stelle glücklicherweise nicht zu befürchten, halten sich doch sogar die hässlichsten Winkel der Spielwelt noch auf einem akzeptablen Niveau. Dennoch wird der Schrei nach einem Switch-Nachfolger seitens der Fans und der Entwickler zum wiederholten Male lauter. Und langsam wird es Zeit, dass die Verantwortlichen diesen endlich ernst nehmen.


Zumindest bei der musikalischen Untermalung müssen keinerlei Kompromisse eingegangen werden. Im Stile der Vorgänger kombiniert Bayonetta 3 nämlich abermals Smooth Jazz, J-Pop und orchestralischen Bombast inklusive göttlichem Chor exquisit miteinander und flechtet daraus einen variantenreichen Klangteppich, der sich den vielen Facetten des Hexen-Abenteuer jederzeit vortrefflich anpassen kann. Ob ihr nun ein actionreiches Duell oder eine mit coolen Sprüchen angereicherte Konversation erlebt, ein atmosphärischer Track bringt euch garantiert in die optimale Stimmung.


Bei der englischen Sprachausgabe müssen Fans der ersten Stunde dann allerdings wieder stark sein. Aufgrund finanzieller Differenzen, deren Hintergründe auf sehr unschöne Art und Weise in der Öffentlichkeit enthüllt und mitsamt einiger fragwürdiger Lügen ausgeschmückt wurden, musste Bayonetta-Sprecherin Hellena Taylor das Mikrofon unfreiwillig an Synchronkollegin Jennifer Hale überreichen. Und obwohl dieser Wechsel anfangs gewöhnungsbedürftig ausfällt, zeigt Hale mit jedem einzelnen gesprochenen Wort ihre einzigartige Klasse und spielt das im Laufe ihrer über 30-jährigen Karriere erlernte Know-how eiskalt aus, weshalb die toughe Protagonistin kein Fünkchen ihrer anmutigen Klasse verliert. Freunde der optional anwählbaren und qualitativ ebenfalls enorm hochwertigen japanischen Fassung brauche solche Probleme nicht zu befürchten – denn hier bleibt Atsuko Tanaka fest im Hexen-Sattel sitzen und setzt ihre makellose Leistung bravourös fort.


Bayonetta 3 bewegt sich also einerseits auf altbekannten Wegen, riskiert gelegentlich aber auch einen bewusst gewählten oder erzwungenen Umweg, um dem Franchise einen gewissen Twist zu verpassen. Dass das nicht immer vortrefflich gelingt – ob nun wegen fragwürdiger Entwicklerentscheidungen oder angestaubter Hardware – möchte ich an dieser Stelle großzügig verzeihen und nur bedingt abstrafen. Denn als Gesamtwerk betrachtet verpasst PlatinumGames der Hexe ihr vielleicht bestes Abenteuer (auch hier wird es sicherlich einige Diskussionen geben) und wirft zugleich einen hoffnungsvollen Blick in Richtung Sequels. Ob diese tatsächlich kommen werden, entschieden wohl erst die Verkaufszahlen. Freiwillig wird Bayonetta die Pistolenschuhe aber definitiv nicht an den Nagel hängen wollen.


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Fazit


Mit Bayonetta 3 gelingt PlatinumGames erneut ein beeindruckendes Kunststück, das nicht nur Serien-, sondern auch Genrefans ein breites Lächeln auf die Lippen zaubert. Gekonnt verknüpft die herausragende Videospielschmiede mit Legende Hideki Kamiya an der Spitze nämlich alte Stärken mit sinnvoll integrierten Neuerungen und erschafft damit nicht nur ein weiteres Action-Highlight, sondern auch ein kleines Meisterwerk, das die beiden Vorgänger tatsächlich überholen und sich stolz auf den Franchise-Thron manövrieren kann.


Dabei ist es nicht nur das mittlerweile nahezu perfekte Kampfsystem, das mit einer Vielzahl an neuen Waffen und endlich auch spielbaren Dämonenverbündeten einen großen Sprung nach vorne macht. Auch in puncto Abwechslung und spielerischer Freiheit darf das dritte Abenteuer etliche Weiterentwicklungen feiern, die stundenlange Unterhaltung und einen enorm hohen Wiederspielwert garantieren. Die cineastisch inszenierten Zwischensequenzen fungieren in Kombination mit dem facettenreichen Soundtrack und der zunächst gewöhnungsbedürftigen, letztlich aber wundervollen Jennifer Hale als neue Bayonetta dann noch formidables i-Tüpfelchen.


Ganz ohne Wermutstropfen kommt Bayonetta 3 dann aber leider doch nicht aus und zeigt mit einer insgesamt eher durchwachsenen Handlung sowie einer (aufgrund hoffnungslos veralteter Hardware) schwankenden Grafikqualität zwei eher unschöne Schwächen, die dem Gesamteindruck zwar unschöne Kratzer verpassen, ihn jedoch nur marginal in die Tiefe ziehen. Denn auch dieser Form darf die explosive Rückkehr der Power-Hexe nicht nur als voller Erfolg, sondern zudem als wahrer Pflichttitel für die Nintendo Switch bezeichnet werden, der hoffentlich weitere Sequel-Wege eröffnet. Bleibt nur zu hoffen, dass die Veröffentlichung einer potenziellen Fortsetzung nicht erst 2030 erfolgt.

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