Fire Emblem Engage

Der Strategie-Herr der Emblem-Ringe.


Weder in meinen Tests noch in privaten (Gaming-)Konversationen habe ich aus einem indiskutablen Fakt kein Geheimnis gemacht: Mit dem Strategie-Genre bewege ich mich auf vollkommen fremdem Terrain und verweile am Verzweiflungspfeiler, während der Unterhaltungsfaktor mit jeder ablaufenden in weitere Ferne rückt. Doch manchmal gibt es eben dann doch diese eine verführerische Ausnahme, die mich doch in das unbekannte Gebiet lockt und mich zur Auseinandersetzung mit fordernden Gameplay-Elementen animiert. Und in diesem Fall handelt es sich um Fire Emblem Engage, den neusten Ableger der namhaften Nintendo-Reihe für die Switch.


Primär ist dieser Umstand dem direkten Vorgänger Fire Emblem: Three Houses zu verdanken, der sich mit einer famosen Mischung aus taktischen Schlachten und einer mitreißenden Lebenssimulation im Persona-Stil einen unerwarteten Weg in mein Herz kämpfen konnte. Kein Wunder also, dass meine Besprechung – in dem ich meine Abneigung für das Genre ebenfalls ausführlich behandelte – enorm positiv ausfiel und meine Vorfreude auf einen regelrecht vorprogrammierten Nachfolger ebenso wie die Erwartungen an eben diesen enorm hoch ausfiel.


Allerdings orientieren sich die Entwickler mit Fire Emblem Engage wieder verstärkt an den Wurzeln der Serie, streichen alltägliche Nebenbeschäftigungen also gnadenlos von der Agenda, um den Fokus gänzlich auf die strategisch anspruchsvollen Kämpfe zu setzen. Ein vernichtendes KO-Kriterium für einen Planungsmuffel wie mich? Mitnichten! Leider eröffneten sich mir bei meiner Reise durch den fantasievollen Kontinent Elyos neben überraschenden Stärken auch einige unverhoffte Schwächen, die das Abenteuer spürbar ins Straucheln brachten. Doch ob es schlussendlich zum schmerzhaften Spielspaß-Sturz kam oder die grundlegende Stabilität rechtzeitig wiederhergestellt werden konnte, verrate ich euch in meinem Test.


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Für Anfänger und Profis geeignet


Trotz meiner Three Houses-Affinität verfiel ich nach Erhalt des Review-Codes für Fire Emblem Engage zunächst ein kleines Motivationsloch, zweifelte zudem an meinen eigenen Fähigkeiten. Mit unterschiedlichen Einheiten strategische Meisterleistungen und planungstechnische Wunder vollbringen? Keine Chance, verstand ich mich doch vielmehr als wilde Action-Maschine, die brüllend auf das Schlachtfeld marschierte, um mit blindem Streufeuer für größtmöglichen Schaden zu sorgen. Folglich sah ich meine Erfolgschance gefährlich nah am vernichtenden Nullpunkt verankert.


Früh reichte mir das verantwortliche Entwicklerstudio Intelligent Systems allerdings eine helfende Hand und machte mir deutlich, dass die Hoffnung definitiv nicht verloren war. Anstatt mich nämlich in eine überfordernd komplexe und gnadenlos fordernde Taktik-Tortur zu schubsen, nahm mir bereits die Auswahl an unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden die ersten Sorgen, während sich die optionale Auto-Kampf-Funktion als jederzeit aufrufbare Hilfestellung anmeldete.


Zusätzliche Beruhigung garantierte der Anfänger-Modus, der gefallenen Verbündete nach einer erfolgreich geschlagenen Schlacht neues Leben einhaucht und fatale Fehler zwar mit einem kleinen Denkzettel, aber zumindest nicht mit einer tödlichen Strafe und ewiger Schande quittiert. Geübten Veteranen steht gleichzeitig der Klassische Modus zur Verfügung, der wundersame Wiederbelebungen und zweite Chance gnadenlos streicht, stete Konzentration also schlagartig an die oberste Stelle der Kampfesagenda setzt. Ob ich mich im Laufe des Tests auch an diese Variante getraut habe? Selbstverständlich! Leider mit eher unzufriedenstellenden Endergebnissen, die ich hier nicht weiter ausführen möchte.


Dennoch lässt sich erfreulicherweise festhalten, dass Fire Emblem Engage den Spagat zwischen Anfänger und Profi elegant meistert und einer potenziellen Abschreckung einer dieser beider Gruppen durch zahlreiche Anpassungsmöglichkeiten gekonnt aus dem Weg geht. Dadurch verfällt das Abenteuer zu keinem Zeitpunkt in eine unterfordernde Simplizität, passiert jedoch auch nicht die nervtötende Unfairness-Grenze, besitzt also zweifelsfrei das Potenzial, die Fangemeinde erneut zu erweitern.



Genretypisches Schachbrett-Taktieren


Dieser Umstand ist allerdings auch dem gelungenen Kampfsystem zu verdanken, das das Genre-Rad zwar nicht revolutionieren mag, aufgrund einer ansprechenden Zugänglichkeit aber dennoch als hervorragendes Sprungbrett in Richtung packenden Spielspaß fungiert.


Im Laufe der Handlungskampagne von Fire Emblem Engage führe ich meine glorreichen Helden über viele schachbrettartige Schlachtfelder, stelle mich an ihrer Seite garstigen Widersachern in den Weg und gebe ihnen verschiedene (und hoffentlich ausreichend durchdachte) Kommandos, um jegliche rundenbasierte Konflikte als strahlender Sieger zu absolvieren. Hierzu gehe ich meine aktiven Einheiten nacheinander durch, gebe ihnen einen der aktuellen Situation entsprechenden Befehl und lehne mich anschließend zurück, um ehrfürchtig die Reaktion meines KI-Kontrahenten abzuwarten.


Natürlich darf ich meine Truppen nicht frei in der Gegend umherbewegen, sondern darf das gewünschte Manöver nur innerhalb eines abgesteckten Bewegungsradius vornehmen. Eine Situation, an die ich alter Action-Freund mich erstmal gewöhnen musst. Blieben Feinde nämlich in unerreichbarer Ferne, musste mein unstillbarer Drang nach einer zerstörerischen Offensive nämlich temporär gestillt und durch schützende Defensivmaßnahmen ersetzt werden. Gibt es eine Möglichkeit, meinen Helden möglichst nah an die feindliche Linie zu bringen, dabei aber nicht die Pforten für einen schmerzhaften Gegenschlag zu eröffnen? Eine Frage, die je nach Schauplatz mal einfacher, mal schwerer zu beantworten ist.


Kommt es dann doch endlich zur erhofften kämpferischen Auseinandersetzung, greift das altbekannte Schere-Stein-Papier-Prinzip, das kurzerhand auf die Ausrüstung der beteiligten Parteien umgemünzt wird. Schwerter hat gegenüber Äxten einen entscheidenden Vorteil, Äxte wiederrum gegenüber Lanzen und Lanzen lassen Schwertnutzer alt aussehen. Nutze ich diese Schwäche gezielt aus, löse ich beim Feind den sogenannten Bruch-Effekt aus, der ihn kurzzeitig ins Wanken bringt und jegliche Gefahr eines potenziellen Konters für einen Zug auslöscht. Eine variantenreiche Bewaffnung macht sich also ohne jede Frage bezahlt.


Überhaupt gibt es etliche Faktoren, die bei der erfolgreichen Umsetzung eines minutiös durchgetakteten Superplans eine entscheidende Rolle spielen. Mit welchen individuellen Talenten und Spezialfähigkeiten sind meine Helden ausgestattet? Und wann sollte ich diese ausspielen, um möglichst viel Schaden zu verursachen? Welche Einheiten sollte ich aufgrund einer vergleichsweise spärlichen Gesundheitsleiste lieber in der zweiten Reihe positionieren? Und bietet mir das Terrain eventuell natürliche Deckungsmöglichkeiten, die mir weitere Vorteile verschaffen? Ein breites Strategie-Repertoire, mit dem mich Fire Emblem Engage allerdings nicht erschlägt, sondern mich freundlich dazu einlädt, bisherigen Plänen auf Wunsch neue Ecken, Kanten und Kniffe zu verpassen.



Ring-Bündnis mit ultimativem Fan-Service


Flexibilität und unaufhörliche Optimierung sind unverzichtbar, um die Herausforderungen des fantasievollen Abenteuers problemlos bewältigen zu können. Zum Glück werden meine Helden für ihren tatkräftigen Einsatz mit wertvollen Erfahrungspunkten belohnt und freuen sich somit früher oder später über einen Levelanstieg, der die wichtigsten Statusattribute verstärkt. Wichtiger Knackpunkt: Konzentriere ich mich nur auf eine mächtige Galionsfigur, der Rest meiner Einheiten komplett flöten, wodurch meine Sammlung an existenziellen Schachfiguren schlagartig zum störenden Ballast degradiert wird. Also ist es auch an dieser Stelle entscheidend, alle Kämpfer regelmäßig einzusetzen.


Körperliche Ertüchtigungen sind jedoch nur die halbe Miete. Sicherlich können auch reine EXP-Monster Erfolge einfahren, eine ständige Aktualisierung der Ausrüstung lässt die Siegesmaschinerie dann aber doch spürbar geschmeidiger laufen. Dementsprechend investiere ich zusammengespartes Gold in brandneue Waffen oder lege alternativ noch einige eingesammelte Materialien dazu, um meine favorisierten Kampfinstrumente beim örtlichen Schmied zu verbessern. Ein nettes Upgrade, das sich definitiv immer lohnt!


Apropos Ausrüstung: Neben Schwerter, Äxten, Bögen und Co. sind es vor allem die Emblem-Ringe, die vor allem im späteren Spielverlauf gerne über Sieg und Niederlage entscheiden können. Hierbei handelt es sich um einen zentralen Aspekt der Haupthandlung (dazu später mehr), der allerdings auch spielerisch in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt wird. Diese Ringe beherbergen nämlich legendäre Helden der gesamten Fire Emblem-Historie, die euch im Kampf nicht nur tatkräftig unterstützen, sondern jahrelangen Fans zudem ein breites Lächeln auf die Lippen zaubern. Immerhin dürfen diese ein Wiedersehen mit Marth, Ike, Lucina oder Corrin feiern.


Bedauerlicherweise stehen mir diese mächtigen Kostbarkeiten nicht von Beginn an zur Verfügung, sondern müssen zunächst ausfindig gemacht werden. Habe ich dann aber doch endlich einen Emblem-Ring in meinen Besitz gebracht, darf ich eine ausgewählte Einheit mit diesem ausrüsten und ihr damit nicht nur einen ordentlichen Kräfte-Boost, sondern zugleich den jeweiligen Helden als zusätzliche Unterstützung an die Seite beschwören. Hat sich die ab diesem Zeitpunkt freigeschaltete Engage-Anzeige während des Kampfes gefüllt, darf ich die Partner dann sogar für drei Runden miteinander fusionieren, um neben ungeahnten Fähigkeiten zugleich besondere Manöver zu entfesseln.


Mit den Emblem-Ringen und der namensgebenden Engage-Funktion stellt mir Fire Emblem Engage nicht etwa eine inflationär einsetzbare Superwaffe, sondern vielmehr ein lebensrettendes Ass im Ärmel zur Verfügung, das mich während des Tests oftmals aus brenzligen Situation befreit hat und dem zunächst innovationsarm anmutendem Gameplay dann doch einen individuellen Anstrich verpassen konnte. Denn auch über das Schlachtfeld hinaus kann das Bündnis zwischen Ringträger und Emblem durch errungene Siege, persönliche Konversationen und eine freundliche Ringpolitur verbessert und dadurch sogar völlig neue, einzigartige Spezialfähigkeiten aktiviert werden. Einziger Wermutstropfen: Bereits zum Release verstecken sich vier Serienhelden hinter kostenpflichtigem DLC, dürfen also nur im Austausch mit Echtgeld in den Kader aufgenommen werden.



Mit vereinter Truppenstärke


Intelligent Systems gelingt es vortrefflich, ein zunächst simpel anmutendes Kampfsystem nach und nach mit komplexen Elementen anzureichern, mir diese jedoch in einem angenehmen Tempo näherzubringen. Dadurch kann ich mein zuvor angeeignetes Skill-Set gemütlich erweitern, ambitionierte Nachjustierungen gehörig auf die Probe stellen und vielleicht dann doch riskieren, die Anfängergrenzen vorsichtig zu verlassen und das Niveau eines fortgeschrittenen Strategen anzuvisieren.


Zudem verliert sich Fire Emblem Engage trotz des bewussten Verzichts auf ausschweifende Open-World-Ausflüge oder zusätzliche Gameplay-Säulen nicht in ermüdender Eindimensionalität, sondern hält die taktischen Gefechte durchgehend spannend. Jedes Kapitel konfrontiert mich mit neuen Herausforderungen, zwingt mich zum schnellen Umdenken und verhindert dadurch, dass ich lustlos auf einen bereits mehrfach eingesetzten Schlachtplan zurückgreifen kann, um den gewünschten Sieg einzufahren. Bleibe ich stur bei der identischen Truppenzusammenstellung und Bewaffnung und ignoriere zur Verfügung stehende Spezialfähigkeiten und Talente komplett, gerate ich spätestens nach den einleitenden Kapiteln gehörig in die Bredouille.


Doch auch hier werde ich gezielt dazu animiert, eben diese Veränderungen selbstständig vornehmen zu wollen, gibt es auf dem Weg in Richtung Abspann doch zahlreiche Möglichkeiten, meinen Kader effektiv zu vergrößern. Dabei schließen sich mir einige Helden automatisch an, während andere nur durch eine optionale Konversation oder das Angehen einer Nebenmission rekrutiert werden können. Wollt ihr jeden verfügbaren Platz füllen, solltet ihr wirklich jede Chance zur verbalen Kommunikation oder der Zurschaustellung eurer kämpferischen Fähigkeiten ohne langes Zögern nutzen – gelegentlich schließt sich das Anwerbungsfenster nämlich unverhofft schnell.


Mit dem breiten Kader bringt mich Fire Emblem Engage jedoch in die moralische Zwickmühle, zwingt mich regelrecht, persönliche Sympathien zugunsten einer hilfreichen Sinnhaftigkeit über Bord zu werfen. Welche Kämpfer brauche ich zwingend in meinem Team, um die nächste Herausforderung erfolgreich zu bestehen? Ist meine Schwert-Axt-Lanze-Verteilung ausgeglichen oder muss ich hier eventuell noch das Gleichgewicht herstellen? Vielleicht muss ich einen meiner Lieblingshelden ja doch temporär aus der Aufstellung nehmen, um mit einer mächtigeren Alternative einfacher ans Ziel zu kommen. Entscheidungen, die vor allem im späteren Spielverlauf unverzichtbar sind und sogar in mir den kleinen (und manchmal sogar unglaublich erfolgreichen) Hobby-Taktiker wecken konnten.



Ein angenehmer Simulationshauch


Gelegentlich wollte ich die Waffen dann aber doch kurzzeitig an den Nagel hängen, ohne konstante Sorge vor angreifenden Feinden einen spannenden Erkundungszug erleben und mich in einem freundlichen Plausch abseits des Schlachtfelds verlieren. Ein nachvollziehbares Verlangen, das von der schwebenden Festung Somniel erstklassig gestillt wird. Diese fungiert in Fire Emblem Engage als Hub-Bereich und präsentiert sich als harmonischer Spielplatz, in dem ich nicht nur wichtige Vorbereitungen treffen, sondern auch die Seele baumeln lassen darf. Beispielsweise nehme ich hier die bereits beschriebenen Optimierungen an meinen Waffen und Emblem-Ringen vor, lege zwecks körperlicher Ertüchtigung einige Trainingseinheiten ein oder stelle in der Arena brandneue Manöver auf die Probe.


Möchte ich die Theorie dann auch in Praxis umwandeln, wartet der Turm der Prüfungen auf eine fulminante Eroberung. Hier stelle ich mich verschiedensten Herausforderungen, um neben Erfahrung auch einige wertvolle Schätze in meine Hände zu bekommen. Gleichzeitig darf ich auch den Online-Modus erforschen, der mich zwecks Verbesserung meiner Teamwork-Fähigkeiten an die Seite von insgesamt vier anderen Spielern stellt, mit denen ich eine ausgewählte Truppe durchdacht zum Sieg führen muss. Auch die kreativen Zellen dürfen angezapft werden, lassen sich doch mit einem überraschend umfangreichen Karten-Creator einzigartige Kampfszenarien erschaffen, an denen sich Mitspieler versuchen dürfen. Leidet ihr an akuter Ideenlosigkeit, fungieren bereits hochgeladene Werke eurer menschlichen Verbündeten als erstklassige Inspirationsquelle.


An dieser Stelle mögen einige von euch verwirrt dreinblicken und sich fragen: Sollte Somniel nicht eigentlich als angenehme Schlachtfeld-Ablenkung dienen? Und mit diesem Gedanken liegt ihr definitiv nicht falsch! Neben den zugegeben recht kampflastigen Aktivitäten bietet die Festung dann tatsächlich auch noch einige friedliche Unterhaltungsalternativen. Beispielsweise darf ich köstliche Gerichte kochen, eine luftige Runde Wyvernreiten einlegen, Angeln gehen, dem örtlichen Wahrsager einen Besuch abstatten oder in meinem Gehöft zahlreiche Tiere aufnehmen und pflegen.


Doch auch die Interaktion mit meinen treuen Gefährten kommt in Fire Emblem Engage nicht zu kurz. Wir dürfen es uns am Pool gemütlich machen, gemeinsam im Café eine schmackhafte Speise bestellen oder in der Boutique ein völlig neues Outfit zusammenstellen. Selbstverständlich bleibt zwischendurch auch ein wenig Zeit für einen kurzen verbalen Informationsaustausch oder eine aufmerksame Nettigkeit in Form eines kleinen Geschenks. Fans der Reihe wissen, dass sich hinter solchen unscheinbar anmutenden Maßnahmen kein simpler Zeitvertreib, sondern ein effektives Festigen der Beziehung zu euren Verbündeten verbirgt. Ein lohnender Aufwand, ermöglichen euch gefestigte Freundschaften im Gefecht doch die Nutzung stärkender Synergien.


Nein, an den Simulationsaspekt des direkten Vorgängers kommen meine zwischenmenschlichen Entfaltungsmöglichkeiten nicht heran, sondern kratzen diese maximal geringfügig an, wodurch sich das Endprodukt eher wie ein Three Houses Light anfühlt. Nichtsdestotrotz fühlen sich die Ausflüge in die schwebende Festung zu keinem Zeitpunkt wie eine lieblos reingeklatschte Dreingabe an, sondern glänzen ungeachtet entfernter Elemente weiterhin mit ausreichend Substanz, um den emotionalen (und auch bedeutend humorvolleren) Aspekt des Abenteuers passend abzudecken. Dennoch darf Intelligent Systems bei einem potenziellen Nachfolger gerne wieder in die andere Richtung schwingen, um bei der Kampf-Simulation-Balance den perfekten Mittelwert zu finden.


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Altbackene Weltenrettung aus der Klischeekiste


Normalerweise folge ich beim Verfassen meiner Tests einer locker festgelegten Struktur, um mich nicht im ausschweifenden Palaver zu verlieren. Auf eine kurze Einleitung folgt die Vorstellung sowie Analyse der Rahmenhandlung, eine Beleuchtung des technischen Aspekts und zu guter Letzt der Gameplay-Part mitsamt der schriftlichen Auflistung aller Stärken und Schwächen. Weshalb ich bei Fire Emblem Engage auf meine persönliche Formel gepfiffen und mich lieber direkt auf das vielschichtige Kampfsystem gestützt habe? Da die Geschichte rund um den wiedererwachten Wyrmgott Alear und seinen erbitterten Konflikt mit dem finsteren Dämonendrachen Sombron eher der Filler-Episode einer wöchentliche Anime-Serie ähnelt, mich dementsprechend also kaum vom Gaming-Sessel reißen konnte.


Dabei klingt die grobe Zusammenfassung relativ episch. Vor tausend Jahren stand der Kontinent Elyos am Abgrund, schien durch das verheerende Treiben von Sombron zur Zerstörung verdammt zu sein. Zwar konnte dieses Schicksal durch das beherzte Eingreifen der heiligen Regentin Lumera sowie das Entfesseln ihrer anmutigen Drachengestalt abgewendet werden, leider kam diese Errungenschaft mit einem schwerwiegenden Opfer: Während des entscheidenden Gefechts wurde Wyrmgott Alear, Lumeras Sohn, beziehungsweise Tochter – diese Entscheidung dürft ihr zu Beginn selbst treffen – verwundet und musste in einen tiefen Schlaf versetzt wurde, um die Verletzung lebend überstehen zu können.


Ein Jahrtausend später erwacht Alear ohne jegliche Erinnerungen (der Amnesie-Klassiker darf natürlich nicht fehlen) aus der erzwungenen Ruhephase, wird durch einen Emblem-Ring, treue Beschützer und Mutter Lumera allerdings schnell auf den aktuellen Stand der Dinge gebracht. Denn auch die Wiederauferstehung von Nemesis Sombron steht kurz bevor, weshalb das Land von finsteren Kreaturen heimgesucht wird. Um den Schrecken der Vergangenheit erneut abzuwenden und ein neues Zeitalter des Friedens einzuläuten, muss Alear nicht nur die übrigen Ringe ausfindig machen, sondern auch fähige Kämpfer um sich versammeln. Keine leichte Aufgabe, wenn der Dämonendrache mit seinen Schergen an jeder Ecke lauern könnte.


Sah ich dieses Handlungskonstrukt anfangs noch als grandiosen Nährboden für eine wahrlich packende Erzählung voller unvergesslicher Momente und schockierender Wendungen, offenbarte Fire Emblem Engage im gefühlten Rekordtempo seine klischeehafte und dadurch eher ernüchternde Natur. Sicherlich vermochten einige ausgewählte Zwischensequenzen noch einen gewissen WOW-Effekt auszulösen, dessen Wirkung ließ aber spätestens beim Anblick der oftmals undynamischen Inszenierung und vollkommen unglaubwürdigen Dialoge spürbar nach. Wichtige Momente werden schnell übers Knie gebrochen und lassen das nötige Gewicht vermissen, um mich auch nur annähernd in den narrativen Bann zu ziehen.


Keine Sorge, einen katastrophalen Totalausfall brauchen Fans der ersten Stunde nicht zu befürchten. Trotz eines enorm klischeebehafteten Ablaufs und einer durchweg vorherrschenden Überraschungsarmut wuchsen mir einige Charaktere dann doch ans Herz, während die mitreißenden Gefechte gelegentlich dann doch eine gewisse Dramatik auf die Beine stellen und zumindest eine kleine Reaktion im erzählerischen Abteil anregen konnten. All das bleibt jedoch immer auf einer höchstens akzeptablen, großzügig betrachtet vielleicht sogar soliden Ebene, die von den stabilen Fesseln der Mittelmäßigkeit an der vollen Entfaltung ihres Potenzials gehindert wird. Schade, hier wäre das Team mit einer Orientierung am Vorgänger eindeutig besser gefahren.



Elegant wegkaschierte Story-Versäumnisse


Obwohl die Haupthandlung mit all ihren ungenutzten Chancen und zuweilen durchschimmernder Lustlosigkeit an der Inszenierungsfront offensichtlich die Achillesferse von Fire Emblem Engage darstellt, wollte ich die malerische Abenteuerwelt im Laufe meines gesamten Tests zu keinem Zeitpunkt verlassen. Immerhin gelingt es Intelligent Systems dann doch, inhaltliche Versäumnisse mit visuellen Kniffen sowie leidenschaftlicher Dekorationswut zumindest ansatzweise kaschieren und mit einem recht mutigen Stilbruch – weniger Ernsthaftigkeit der vorherigen Titel, mehr mainstreamige Anime-Cuteness – beeindrucken zu können.


Allein die zahlreichen Rüstungen und Gewänder meiner Kämpfer machen dank allerlei Besonderheiten und kräftigen Farben eine verboten gute Figur und erstrahlen vor allem auf dem Schlachtfeld in einem ebenso entzückenden wie auch heldenhaften Glanz. Kombiniert mit geschmeidigen Animationen und optisch abwechslungsreichen Schauplätzen ergibt sich ein anschauliches Gesamtbild, das die eigenen technischen Stärken im TV- sowie im Handheldmodus jederzeit ausspielen kann und sich abseits kleinerer, aber spielend vernachlässigbarer Framerate-Problemchen keine Ausrutscher erlaubt. Das Team hat nicht einfach blind in die Anime-Schublade gegriffen, sondern sich beim Kreieren des bunten Looks sichtbar viel Mühe gegeben und ausreichend Zeit für qualitativen Feinschliff genommen.


Zeit, die beim Casting der englischen Synchronsprecher ebenfalls dringend nötig gewesen wäre. Zwar mögen diese stimmlich zu ihren jeweiligen Rollen passen, lassen jedoch oftmals die notwendige Glaubwürdigkeit vermissen, um heroischen, emotionalen oder gar humorvollen Momenten wuchtigen Nachdruck zu verleihen. Wenig verwunderlich, dass einige Unterhaltungen gerne einmal vollkommen in die unfreiwillige Komik abrutschen und ich dadurch unliebsam aus dem Geschehen gerissen werde. Ein Glück lässt sich diese Problematik schnell aushebeln: Springt einfach schnell in die Optionen, wechselt zur weitaus überzeugenderen japanischen Sprachausgabe und dankt mir später.


Für einen musikalischen Hochgenuss sind derweil keine zusätzlichen Einstellungen notwendig. Mit einem erstaunlichen Facettenreichtum kämpft sich der Soundtrack von Fire Emblem Engage nämlich spielend leicht seinen Weg in mein Ohr und beeindruckt mit einer stimmigen Kombination aus orchestralischen und rockigen Klängen auf ganzer Linie. Ob ich nun auf dem Schlachtfeld zu neuen Höchstleistungen angetrieben werden muss oder bei der Festungserkundung einfach nur beruhigenden Seelenbalsam brauche, die melodische Begleitung erfüllt ihre Aufgabe mit Bravour und wirft mir dabei hin und wieder sogar urplötzlich einen Ohrwurm entgegen, den ich den restlichen Kampf hindurch leise mitsumme.



Ein Franchise am Scheideweg


Lege ich diese wundervolle Präsentation mit dem ebenso vielschichtigen wie auch mitreißenden Kampfgeschehen zusammen, kann ich Fire Emblem Engage all die zuvor aufgeführten Schwächen verzeihen und meinen knapp 60-stündigen Pfad in Richtung Weltrettung bestens motiviert und frei von jeglichen Kompromissen beschreiten. Wobei sich ein gewisser Herzschmerz – vor allem mit Blick auf und Erinnerung an die Handlung von Three Houses – gelegentlich dann doch bemerkbar machte.


Dennoch wäre es ein Verbrechen, Entwicklerstudio Intelligent Systems allein für die narrativen Versäumnisse (und sprechen wir es aus: eklatante Fehler) an die Kritikwand zu stellen und gnadenlos zu verteufeln. Mutig griff das Team nämlich nach der Serienwurzeln, entfernte mit Ausnahme einiger ausgewählter Simulationsaspekte jegliche von der mental fordernden Strategie-Sause Nebenaktivitäten und erschuf mit einem enorm motivierenden Kampfsystem und reichlich Aufwertungsmöglichkeiten ein fantastisches Abenteuer, dass sich nicht nur an Veteranen, sondern auch an völlig Neueinsteiger richtet – wobei diese beim Einsatz der Emblem-Ringe natürlich auf eine nostalgische Erinnerungsflut verzichten müssen.


Es ist also erneut eine Frage der Erwartungshaltung, die über eine freudige oder eine abgrundtief enttäuschende Zeit mit Fire Emblem Engage entscheidet. Ihr erwartet ein erzählerisches sowie spielerisches Three Houses-Sequel, das all die etablierten Kernelemente sinnvoll weiterentwickelt? Dann erwartet euch spätestens beim ersten Marsch durch Somniel ein herbes Erwachen. Tragt ihr die Serie allerdings seit Jahrzehnten in euren Herzen oder wollt eure taktischen Fertigkeiten ohne etwaige Ablenkungen freisetzen, dürfte Alears hitzige Auseinandersetzung mit dem Dämonendrachen all eure Wünsche und Träume erfüllen.


Es bleibt also abzuwarten, in welche Richtung Nintendo die Reihe vorantreiben wird. Mehr Simulation? Vielleicht sogar noch weniger Simulation? Oder gar ein parallel verlaufendes Zweischienensystem, das neben der Genre-Nische auch den breiten Mainstream abholen und als kompromissbereiter Rundumschlag wirklich alle Fans zufriedenstellen kann? Fakt ist: In dieser Form mag die erhoffte Perfektion zwar noch nicht erreicht sein, jedoch neigt sich Fire Emblem Engage bereits in die richtige Richtung. Nun sollten für den Handlungsbereich aber dringend einige fähige Schreiberlinge rekrutiert werden.


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Fazit


Fire Emblem Engage versteht sich nicht als wegweisende Revolution der namhaften Reihe, sondern vielmehr als durchdachte Rückbesinnung auf die taktischen Wurzeln der Vergangenheit. Ein nach dem umjubelten Vorgänger Three Houses gewagtes Vorhaben, mit dem Entwicklerschmiede Intelligent Systems Genre- und Serienfans gleichermaßen glücklich stimmen möchte – und schlussendlich ein phänomenales Strategie-Abenteuer abliefert, das sich nur selten unschöne Schnitzer erlaubt.


Kaum habe ich das virtuelle Schlachtfeld das erste Mal betreten, eröffnet sich mir ein breites Arsenal an taktischen Möglichkeiten, das mich zu keinem Zeitpunkt überfordert, sondern mich vielmehr zu neuen Höchstleistungen und ambitionierten Manövern animiert. Kombiniert mit zahlreichen Helden, etlichen Verbesserungsmöglichkeiten für Spezialfähigkeiten und Ausrüstungen sowie die coole Emblem-Ring-Mechanik garantiert, dass die gesamte Spielzeit keinerlei Langeweile aufkommt. Und wer dann doch einmal die Seele baumeln lassen möchte, besucht die schwebende Festung Somniel und gibt sich hier angenehmen Konversationen, der Tierzucht oder anderen Freizeitaktivitäten hin.


Solltet ihr eine packende Handlung epischen Ausmaßes oder gar einen direkten Three Houses-Nachfolger mit tiefgründigem Character- und World-Building erwarten, werdet ihr Fire Emblem Engage höchstwahrscheinlich eher als Enttäuschung wahrnehmen. Dürstet es euch jedoch nach einer schick präsentierten Portion Taktik mit geschickt integrierten Simulationsaspekten, ist ein beherzter Griff zum Schwert definitiv lohnenswert. Und diese Empfehlung gilt ausdrücklich auch für beinharte Genre-Muffel!

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