Theatrhythm Final Bar Line

Eine virtuelle Verneigung vor musikalischen Meisterleistungen.


Zahlreiche Gäste. Eine imponierende Location. Ein stattliches Büfett! Alles unverzichtbare Grundpfeiler, um der gebührenden Feier des 35. Jubiläums einen stabilen Unterbau zu verpassen. Leider dürften die langwierige Planung und anschließende Umsetzung eines solchen Events zum wahrlich beeindruckenden Geburtstag der legendäre Final Fantasy-Reihe keine Option sein, wären nach der Einladung der weltweit vorhandenen Fangemeinde doch nicht nur ein heilloses Chaos, sondern auch ein heutzutage rasant losgetretener Social-Shitstorm regelrecht vorprogrammiert.


Davon lässt sich der japanische Videospielhersteller allerdings nicht aus der Ruhe bringen und reaktiviert kurzerhand die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Entwicklerstudio indieszero, um zumindest musikalisch in den Party-Modus zu schalten. Kein schlechter Gedanke, immerhin eröffnet sich hier die einzigartige Gelegenheit, das virtuelle Orchester nach dem 2012 veröffentlichten Theatrhythm Final Fantasy sowie dem 2014 nachfolgenden Sequel Theatrhythm Final Fantasy: Curtain Call erneut zu vereinen und die 3DS- und Mobile-Welt zu verlassen, um auch die „großen“ Konsolen an diesem besonders freudigen Ereignis teilhaben zu lassen.


Anstatt einer budgetär ausufernden Mega-Veranstaltung bekommt die Final Fantasy-Community nun also Theatrhythm Final Bar Line präsentiert, das die unvergleichlichen Kompositionen der gesamte Reihe angemessen zelebrieren, die rhythmischen Fähigkeiten der Fans dabei zugleich spielerisch unterhaltsam auf die Probe stellen und vielleicht sogar auf ein neues Niveau heben möchte. Doch ob PS4- und Switch-Besitzer tatsächlich an die Konsole gefesselt werden oder trotz anmutiger Klänge bereits nach kurzer Zeit mit einer gnadenlos hereinbrechenden Müdigkeit zu kämpfen haben, möchte ich euch heute in meinem (vielleicht sogar leicht melodischen) Test verraten.



Rhythmische Videospielabwechslung


Früh musste ich lernen, dass eine abwechslungsreiche Genre-Zusammenstellung das A und O für einen durchweg unterhaltsamen Videospielalltag ohne langweilenden Leerlauf darstellt. Epische RPG-Abenteuer, explosive Action-Ballereien oder auflockernde Jump'n'Run-Eskapaden münden alleinstehenden früher oder später in einer faden Monotonie, sorgen in einer sinnvollen Mischung jedoch dafür, dass meine Gaming-Motivation stets aufs Neue angefeuert und weit weg vom vernichtenden Nullpunkt ferngehalten wird.


Weshalb ich meinen Test mit einer persönlichen Anekdote beginne? Weil ein Genre dank eines einzigartigen Gameplays ganz besonders aus diesem Abwechslungskonstrukts hervorsticht und dadurch bereits vor einigen Jahren ein kleines Sonderplätzchen in meinem Herzen sichern konnte: Rhythmus-Spiele! Keine ausschweifenden Haupthandlungen, keine vielschichtigen Helden, keine gigantische Welt mit unzähligen Aufgaben, sondern eine (hoffentlich) ansprechende Auswahl an Songs, denen ich durch die korrekte Eingabe angezeigter Tastenkombinationen möglichst meisterhaft folgen soll. Ein zunächst enorm simpel anmutendes Konzept, das sich für mich jedoch nicht nur als wundervolle Nebenbeschäftigung abseits der aufgeblasenen AAA-Titel, sondern auch als enormer Zeitfresser entpuppte.


Mein zündender Funke – und damit schließt sich nun der Kreis meiner kleinen Einführung – war Theatrhythm Final Fantasy, das 2012 eher zufällig den Weg in mein 3DS-Kartenleser fand. Mit einer anfänglichen Skepsis stürzte ich mich in ein musikalisches Erlebnis, das jegliche Bedenken binnen der ersten Minuten hinwegfegen und problemlos dafür sorgen konnte, dass meine Gesamtspielzeit gefährlich nah an den dreistelligen Stundenbereich kam. Eine zeitliche Investition, die ich keineswegs bereute – und umso glücklicher war, als ich einige Jahre später den Nachfolger besprechen durfte.


Ihr merkt also, dass ich Theatrhythm Final Bar Line mit einer gewissen Erwartung entgegenblickte und hoffte, dass eine erneute Reise in die Welt der ikonischen Melodien spürbare Innovationen, stattlichen Umfang und einen möglichst hohen Unterhaltungswert mitbringen würde, um die altbekannte Faszination in mir wecken und meinen stillen Wunsch nach anspruchsvollen Rhythmus-Herausforderungen erfüllen zu können.



Wildes Trigger-Feuerwerk mit Konzentrationspflicht


Kein Wunder also, dass ich mich nach dem ersten Starten von Theatrhythm Final Bar Line nicht etwa um nebensächliches Blabla kümmerte, sogar den traditionellen Blick in die Einstellungsmöglichkeiten bewusst übersprang, sondern mich Hals über Kopf in mein erstes harmonisches Stelldichein stürzte. Und trotz meiner eingerosteten Fingerfertigkeiten (wir werden alle nicht jünger!) fühlte ich mich direkt heimisch – wenig überraschend hat indieszero nämlich weder am hauseigenen noch am allgemeinen Gameplay-Rad gedreht, sondern sich nah an den Vorgängern orientiert.


Kaum ertönen die ersten Klänge des ausgewählten Songs, fliegen sogenannte Touch-Trigger durch das Bild, die mich beim Aufrechterhalten meines Rhythmusgefühls, beziehungsweise dem zeitlich perfekt abgestimmten Drücken des Angriffsknopfs unterstützen. Eine willkommene Hilfestellung, führt doch nur das perfekte Timing zum vollen Erfolg: Verpasse ich die optimale Überschneidung eines durchschwebenden Symbols mit einer der ausgewiesenen Trigger-Bereiche auch nur um einige wenige Millisekunden, wird ein kritischer Treffer erbarmungslos zur guten, schlechten oder gar verpassten Tasteneingabe degradiert.


Tatsächlich scheint mir Theatrhythm Final Bar Line zunächst eine helfende Hand zu reichen, um mir neben dem Einstieg auch die strategische Zusammenstellung meines individuellen Stils zu erleichtern. Da mir für eine erfolgreiche Trigger-Attacke nämlich (fast) alle Buttons meiner Switch zur Verfügung stehen, entfallen überhetzte Sprünge zum spezifizierten Auslöser gänzlich, wodurch ich den druckbereiten Daumen theoretisch auch durchgehend auf meinem favorisierten A-Knopf ruhen lassen dürfte. Wären da nicht die Slide- und Doppel-Trigger, die sich oftmals in das Notenspiel schleichen und fehlerfreies Umdenken erfordern. Während beim Doppel-Trigger einfach nur eine zusätzliche beliebige Taste betätigt werden muss, gilt es beim Slide-Trigger einen, manchmal aber auch beide Sticks in die angezeigte Pfeilrichtung zu schieben.


Einzeln betrachtet mag das Ganze vor allem für Genre-Veteranen nach einer machbaren Aufgabe klingen. Da mir allerdings regelmäßig kleinere Unsicherheiten in Form besonders kniffeliger Situationen in den Weg geworfen werden, stehen ein wacher Geist und stete Konzentration an oberster Stelle meiner Agenda. Beispielsweise muss ich pfeilschnell (sorry, den konnte ich mir nicht verkneifen) auf plötzliche Richtungseingaben reagieren, Hold-Trigger länger gedrückt halten und hierbei manchmal sogar die Laufbahn des aktuell angespielten Triggers – der nun als Hold-Slide-Trigger bezeichnet wird – per Stick wie angezeigt nachjustieren. Im Rahmen eines gemütlichen Tracks geht der Lauf durch die verschiedenen Variationen recht angenehm von der Hand, wird bei einem temporeichen Song jedoch kontinuierlich fordernder.


Überhaupt ist die Geschwindigkeit der entscheidende Faktor für den generellen Schwierigkeitsgrad. Je stärker diese nämlich anzieht, desto einfacher schleichen sich ärgerliche Ausrutscher in mein Spiel ein, die nicht selten zu temporären Totalausfällen ausarten. Wäre ein verpasster Trigger an sich theoretisch keine schwerwiegende Problematik, brachte mich dieser gerne vollständig aus dem Konzept und zwang mein Gehirn zu einem Neustart, in dessen Verlauf aber bereits viele weitere Töne ins ewige Versagensnirvana geflogen waren. Ein wacher Geist und Konzentration mussten also zwingend durch Ruhe und einen kühlen Kopf ergänzt werden.


Leichter gesagt als getan. Theatrhythm Final Bar Line winkt mich nach getaner Arbeit nämlich nicht einfach direkt zum nächsten Lied, sondern rechnet meine verdienten Punkte und getroffenen (oder eben verpassten) Trigger in eine Endnote in Buchstabenform um. Highscore-Freunde wissen direkt, dass die Jagd nach der ultimativen Top-Performance jegliche Beruhigungsversuche zunichtemacht und das durch entfachte Perfektionsfeuer nicht gänzlich geglückte Leistungen zu einer sofortigen Wiederholung verpflichtet. Es ist eben manchmal ein Fluch, unentwegt nach der Höchstwertung zu streben.



Ein musikalisches Herz für Neueinsteiger


Zugegeben: Meine kurze Zusammenfassung der rhythmischen Gameplay-Freuden von Theatrhythm Final Bar Line dürfte auf blutige Anfänger und Musikmuffel mit Final Fantasy-Faible abschreckend wirken. Videospielschmiede indieszero schien solche pessimistischen Schwarzmaler-Tester wie mich jedoch auf dem Plan gehabt zu haben, weshalb sie ihren entwicklungstechnischen Fokus nicht nur auf knackige Herausforderungen, sondern auch auf eine willkommene Zugänglichkeit gelegt haben. Ein geschicktes Manöver, um neben einer loyalen Genrenische auch ein breites Mainstream-Publikum an die Konsole zu laden.


Dank verschiedener Schwierigkeitsstufen werden nämlich nicht ausschließlich die Vollprofis, sondern auch alle Neueinsteiger bestens bedient. Beginne ich die wohltönende Reise auf der Basic-Stufe, darf ich mich in Ruhe an die Feinheiten der Steuerung hineinarbeiten, brauche mich vor überkomplizierten Eingaben überhaupt nicht zu fürchten und darf mich auf Wunsch auch gerne im Trainingsmodus austoben, bevor ich mich an die Uraufführung wage. Zu Testzwecken drückte ich meiner spielerisch kaum versierten und von zeitlich eng gestrickten Tasteneingaben direkt vollkommen überforderten Frau meine Switch in die Hand und ließ sie ohne mein Eingreifen durch das Tutorial hüpfen. Das zufriedenstellende Ergebnis: Erfolgreich meisterte sie die ersten Songs und verspürte sogar die Lust, einige zusätzliche Runden einzulegen.


An der Expert-Stufe bekam ihr zuvor gefestigtes Nervenkostüm dann aber doch leichte Risse, wurde sie hier doch urplötzlich mit wilden Buttonsprüngen konfrontiert, die sogar den eifrigsten Lehrling in die Verzweiflung treiben. Auch mir präsentierte sich dieser Schwierigkeitsgrad nicht etwa als gemütlicher Spaziergang, sondern als knifflige Aufgabe, die mich stellenweise zum Freisetzen all meiner (weiterhin recht limitierten) Fähigkeiten zwang. Erfreulicherweise fielen kleine Erfolge dadurch umso bedeutsamer aus, entlockten mir sogar leise Jubelrufe, wenn meine Bemühungen mit einem fehlerfreien Durchlauf und damit der krönenden SSS-Bestwertung und einer Perfect Chain belohnt wurden. Höhenflüge, die mir eine verhängnisvolle Frage an mich selbst entlockten. Könnte ich es vielleicht doch wagen, die Ultimate-Stufe anzugehen?


Ich erspare euch ein ellenlanges Vorgeplänkel und komme direkt zur zermürbenden Antwort: Nein, kann ich nicht! Erlaubten mir die ersten erfolgreich angespielten Töne noch kurzzeitigen Optimismus, wurde dieser von einem anschließend abgefeuerten Trigger-Feuerwerk regelrecht pulverisiert. Eine Chancenlosigkeit, die nicht etwa mit Unfairness gleichzusetzen war, jedoch ein ausgedehntes Zeitinvestment erforderte, um gekonnt umgangen zu werden. Solltet ihr also nach den Rhythmus-Sternen greifen und mit zusammengebissenen Zähnen das Unmögliche möglich machen, bietet euch Theatrhythm Final Bar Line ausreichend Raum zur Entfaltung – denn einige Titel haben zusätzlich noch den Surpreme-Modus im Gepäck, der ungeübte Gamer geradezu in den absoluten Wahnsinn treibt.



Diese Songauswahl bringt das Fan-Herz zum Explodieren


Hatte mich Theatrhythm Final Bar Line mit dem wundervoll-ansprechenden Gameplay-Loop bereits beeindruckt, folgte mit Blick auf die Serien-Quests ungezügelte Begeisterung. Bei diesem Modus handelt es sich nämlich nicht etwa um eine neue, eigenes für das Rhythmus-Abenteuer zusammengestellte Handlung, sondern um das Sammelsurium aller Songs, die ich musikalisch bewältigen darf. Und dieses dürfte Final Fantasy-Fans nun wirklich jeden noch so kleinen Wunsch erfüllen.


Insgesamt stehen mir 385 Lieder aus 29 Videospielen zur Verfügung, wobei nicht nur die gesamte Hauptreihe, sondern auch zahlreihe Spin-Offs zur Auswahl stehen. Dass Type-0, Tactics, Stranger of Paradise oder die Dissida-Reihe nicht vergessen wurden, sondern in dieser namhaften Runde in neuem Aufmerksamkeitslicht glänzen dürfen, freut mich als Anhänger dieser vergleichsweise kleineren Werke enorm. Gleichzeitig fühlt sich die Collection dadurch nicht wie ein liebloser Aufguss der beiden Vorgänger an, wird vielmehr zu einer stattlichen Complete Edition erhoben, die den Umfangsanforderungen eines Vollpreistitels vollends gerecht wird.


Leider blieb mir ein freudiger Wechsel zwischen all diesen famosen Soundtrack verwehrt, waren die Titel zu Beginn meiner Reise doch noch verschlossen – und ich hatte nur einen einzelnen Schlüssel im Gepäck! Es folgte die altbekannte Qual der Wahl, die ich mir keineswegs leicht machen wollte und dafür meine Franchise-Vergangenheit Revue passieren ließ. Wäre das mitreißend-emotionale You're not alone aus Final Fantasy IX nicht der perfekte Startpunkt? Oder vielleicht doch das legendäre Terra's Theme aus Final Fantasy VI? Das wahrhaft sagenhafte One-Winged Angel könnte aber die sicherste Option sein – und läge sogar theoretisch als klassische Original-, epische Remake- und rockige Advent Children-Fassung vor. Gedanken, die mich schlussendlich in die Arme von Final Fantasy VII lotsten.


Der folgende Ablauf ist bei allen 29 freischaltbaren Mini-Abenteuern der Serien-Quests identisch. Habe ich das vermaledeite Schloss mit meinem kostbaren Schlüssel erfolgreich entfernt, eröffnet sich mir eine Karte, auf der ich mich durch das Absolvieren verschiedener Songs fortbewegen darf. Prinzipiell eher ereignislos und gradlinig, da mich mein Weg jedoch durch wichtige Highlights des jeweiligen Videospiels führt und am Ende der fulminante Oberboss (in meinem Fall also Sephiroth höchstpersönlich) wartet, fiel das Ignorieren dieser generellen Simplizität erschreckend einfach. Und da auf halber Strecke zudem eine Truhe mit einem neuen Schlüssel auf mich wartete, erstickte meine Fan-Freude jeglichen Anflug potenzieller Kritik im Keim.



Eine Prise RPG schadet nie


Eine gigantische Songauswahl inklusive einer Vielzahl der legendärsten Kompositionen der Videospielgeschichte? Check. Durchdachte Gameplay-Mechaniken mit unbeschreiblichem Suchtpotenzial? Check. Grandioser Fan-Service? Doppel-Check! Eigentlich hätte indieszero die Entwicklung von Theatrhythm Final Bar Line an dieser Stelle besten Gewissens für beendet erklären und ein vollends überzeugendes Gesamtpaket abliefern können. Stattdessen griff das Team wagemutig in die RPG-Kiste und erschuf ein spannendes Hybridgenre, um die Wurzeln der Final Fantasy-Serie aufzugreifen und sich damit von der Rhythmus-Konkurrenz abzuheben. Während ich mich nämlich auf die heranfliegenden Trigger konzentriere, sagt eine vierköpfige Heldentruppe am unteren Bildschirmrand allerlei monströsen Kreaturen und fiesen Bösewichtern den Kampf an.


Fangen wir jedoch am Anfang des Rollenspielpfads an. Mit jedem aufgeschlossenen Titel freue ich mich nicht nur über neue Songs, sondern zugleich auch über die dazugehörigen Charaktere, die sich ohne lange Zwischensequenzen oder Dialoge direkt meinem Kader anschließen. Nun darf ich ohne jegliche Restriktionen mein favorisiertes Team zusammenstellen und auf das musikalische Schlachtfeld begleiten. Sobald aber die ersten Töne beginnen, ist die Gruppe auf sich allein gestellt und muss höchstens hoffen, dass ich keinen gedanklichen Totalabsturz erleide. Denn sobald sich meine Fehler häufen, kassieren meine Verbündeten ordentlich Prügel und segnen früher oder später das Zeitliche. Die Folge? Ein frühzeitiges Game Over!


Glücklicherweise lassen sich Cloud, Lightning, Squall und Co. kräftetechnisch nach allen Regeln der RPG-Kunst aufmotzen. Beispielsweise folgt auf jedes siegreich geschlagene Song-Duell ein Erfahrungspunkteregen, der sich neben dem traditionellen Levelanstieg auch für das Freischalten hilfreicher Spezialangriffe sowie Heil- und Elementarzauber verantwortlich zeichnet. Pro Helden darf ich jeweils drei dieser Sonderfähigkeiten ausrüsten und durch das Erfüllen individueller Bedingungen im Kampf aktivieren. Hier will also je nach aktueller Herausforderung wohl überlegt sein, welche Kräfte unbedingt an Bord sein sollten.


Überhaupt sollte unbedachte Willkür und blendender Fanatismus beim Erstaufbau und späterem Nachjustieren eures Teams eine untergeordnete Rolle spielen, müssen dabei doch einige strategische Aspekte bedacht werden. Jeder Kämpfer ist nämlich einer bestimmten Rolle – darunter beispielsweise Angreifer, Verteidiger, Heiler oder Magier – zugeteilt. Werfe ich nun also leichtsinnig Noctis, Zack, Laguna und Paine zusammen, mag daraus eine supercoole Truppe mit mächtiger Offensivkraft entstehen, an allen anderen kämpferischen Fronten bin ich jedoch gänzlich verloren. Zwecks spielerischer Varianz sollten also auch eine Terra, ein Seifer oder eine Yuffie gelegentlich zur Hilfe gerufen werden.


Die vielschichtige Dimension eines eingefleischten Genre-Vertreters mag Theatrhythm Final Bar Line mit all diesen Anpassungsmöglichkeiten nicht erreichen, sorgt mit einem leichten RPG-Wind aber immerhin dafür, dass sich auch nach etlichen Spielstunden keinerlei ermattende Abwechslungsarmut einstellt, die kaum vermeidbare Monotonie einer Rhythmus-Sause also meisterhaft entschärft wird. Brauche ich nach einem kleinen Song-Marathon eine Pause, optimiere ich einfach meine aktuelle Heldenauswahl, fummle an den ausgerüsteten Fähigkeiten herum, setze eingesammelte Items für gezielte Statusverbesserungen ein oder überlege, welche mächtige Beschwörung ich in brenzligen Situationen an meiner Seite wissen möchte. Lange Rede, kurzer Sinn: Fans werden sich hier definitiv nicht langweilen.



Kein Abenteuer ohne Quests!


Oberflächlich betrachtet könnte man der RPG-Komponente nun allerdings eine Daseinsberechtigung absprechen, sie sogar direkt als nebensächliche Dreingabe abstempeln, darf ich doch nur in der Vorbereitungsphase aktiv ins Geschehen eingreifen und werde anschließend zum passiven Beobachter verdammt. indieszero scheint diese Gefahr aber frühzeitig erkannt zu haben und verpasst Theatrhythm Final Bar Line ein weiteres Kernelement, das die automatisch ablaufenden Gefechte mit einer spielerischen Wichtigkeit versieht.


All die in den Serien-Quests inkludierten Songs sind in drei verschiedene Variationen unterteilt. Battle-Music-Stages, in denen ich rasante Trigger-Abfolgen zu oftmals hektischen Battle Themes bewältigen muss. Field-Music-Stages, die entspannende Hintergrundlieder in den Fokus rücken und mein Team neben kurzen Kämpfen auf eine kleine Wandertour schicken. Und Event-Music-Stages, die parallel zur eigentlichen Rhythmus-Herausforderung ikonische Szenen der Final Fantasy-Historie abspielen. Trotz geringfügiger Unterschiede besitzen all diese Modi zwei wichtige Gemeinsamkeiten: Zum einen bleibt das grundlegende Gameplaykonstrukt jederzeit bestehen, zum anderen ist jeder Song mit einer exklusiven Quest versehen, die natürlich bewältigt werden möchten.


Um dieses Ziel zu erreichen, muss ich einen vorgegebenen Helden in meiner Aufstellung haben, Bosse mit einem bestimmten Zauber niederstrecken, einen möglichst hohen Highscore erreichen oder Angriffe auf meine Gesundheitsleiste auf ein Minimum beschränken. Als Belohnung winken neben wertvollen Items auch optisch ansprechende Sammelkarten, die nicht nur nach und nach mein virtuelles Album füllen, sondern zugleich mit unterstützenden Boni versehen sind. Wer hier eifrig in den Schnapp sie dir alle-Modus schaltet, sollte jedoch ausreichend Geduld mitbringen – insgesamt lassen sich nämlich über 1.000 Karten erbeuten!


Zum Rhythmus- UND Rollenspielexperten avancieren? Für Anfänger mag das nach einer überfordernden Aufgabe klingen, die lieber direkt als gescheitert erklärt wird. Ein KO-Kriterium muss das allerdings gar nicht sein, präsentiert Theatrhythm Final Bar Line den RPG-Part doch bewusst als optionale Nebenbeschäftigung, mit der sich Taktikfüchse noch länger und intensiver mit dem musikalischen Abenteuer beschäftigen dürfen. Solltet ihr solch eine Zugabe aber überhaupt nicht benötigen, dürft ihr sie ohne jegliche Konsequenzen ignorieren. Denn das Ende eines Songs könnt ihr auch ohne durchtrainierte und strategisch bis ins kleinste Detail zusammengestellte Superheldentruppe erreichen – und werdet dabei höchstwahrscheinlich manchmal sogar eher durch Zufall deine oder andere Quests freischalten.



Ein Zeitfresser, wie er im Gaming-Buche steht


Mittlerweile dürfte es kein Geheimnis mehr sein: Theatrhythm Final Bar Line hat mich beim Test absolut begeistert und in einen eufonischen Bann gezogen, dessen Wirkungskraft auch nach knapp 20 Stunden kaum verflogen ist. Ob ich beim Flug durch die sagenhafte Liedersammlung in nostalgischen Erinnerungen schwelge, offene Quests in Angriff nehme, auf erneute Highscore-Jagd gehe oder einfach nur ausgeklügelte Feineinstellungen an meiner schlagkräftigen Gruppe vornehme – die To-Do-Liste ist enorm lang und bewahrt meine Motivationskurve zuverlässig vor einem frühzeitigen Absturz.


Abseits der Serien-Quests gibt es obendrein noch weitere Modi, die von mir erkundet werden möchten. Bei den Music-Stages darf ich beispielsweise all meine freigeschalteten Songs direkt ansteuern, einen Schwierigkeitssprung wagen oder einfach auf dem Arbeitsweg eine gemütliche Runde zwischendurch einlegen. Zusätzlich durfte ich hier meine weiterhin fleißig trainierende Frau einladen, um unsere Lieblingsmelodien im Paar-Stil zu begleiten. Anfänger erhalten derweil die Möglichkeit, auf eine simple Eine-Taste-Steuerung zurückzugreifen, um die ersten Genreschritte nochmals angenehmer zu gestalten.


Hinter dem Multi-Battle-Modus verstecken sich erbitterte Online-Duelle, in denen ich mein spielerisches und musikalisches Können gegen bis zu drei Mitspieler unter Beweis stellen darf. Leider konnte nur einen kleinen Bruchteil meines Tests in der Mehrspielerwelt verbringen, bekam nach den ersten Kämpfen jedoch definitiv Lust auf mehr. Neben dem bereits bekannten Gameplay dürfen hier nämlich auch sogenannte Bursts aktiviert werden, die meine Gegenspieler auf dem Weg zur perfekten Wertung unnachgiebig aus der Bahn werfen. Am Ende herrscht dann aber selbstverständlich Freundschaft vor, kriegen doch alle Teilnehmer neben Sammelkarten auch die Chance, personalisierte ProfiCards (aka digitale Visitenkarten) auszutauschen.


Zu guter Letzt darf ich im Museum den Stress des ständigen Trigger-Wahnsinns temporär ablegen und einfach nur in meine gesammelten Lieder, Videos und Karten eintauchen oder in meinen Statistiken überrascht herausfinden, wie viele Stunden ich bereits in Theatrhythm Final Bar Line investiert habe. Beim Anblick der doch überraschenden Gesamtzeit merkte ich erst, wie intensiv ich mich in diesem Rhythmus-Feuerwerk verloren hatte, wie rasant aus einigen Minuten etliche Stunden, aus nur noch drei Songs nur doch drei komplette Titel wurden.


Diese fesselnde Magie hält indieszero nicht nur mit den bereits ausführlich erörterten Stärken, sondern auch mit einer spür- und sichtbaren Leidenschaft für die Final Fantasy-Reihe aufrecht. Alle Helden und Bösewichter sowie Monster freuen sich auch in Chibi-Form einzigartiger Besonderheiten, während ich mich bei meinen Song-Ausflügen regelmäßig an bedeutenden Schauplätzen wiederfinde. Technische Meisterleistungen im Stil der damaligen Squaresoft-CGI-Zwischensequenzen dürft ihr freilich nicht erwarten, freut euch im Gegenzug aber über eine durchweg stabile Performance und erstklassige Soundqualität. Und seien wir ehrlich: Mehr Dinge werden für ein perfektes Rhythmus-Erlebnis überhaupt nicht gebraucht.



In der moralische Wertungszwickmühle


Normalerweise würde ich nun direkt zum Fazit springen, möchte mich zwecks wertungstechnischer Transparenz allerdings auch der DLC-Politik von Theatrhythm Final Bar Line widmen, die in einigen Videospielforen bereits vor Release für einen gewissen Missmut gesorgt hat.


Entscheidet ihr euch für die 60€ teure Standard-Edition, stehen euch insgesamt 385 Songs aus der Final Fantasy-Historie zur Verfügung. Greift ihr jedoch tiefer in die Geldbörse und addiert auf den Vollpreis weitere 30€ (!), erhaltet ihr dank der Digital Deluxe Edition Zugriff auf 27 weitere Tracks und den ersten Season Pass. Und wer sein Konto direkt plündern und das ultimative Gesamtpaket haben möchte, investiert 110€ in die Premium Digital Deluxe Edition und bekommt neben allen bereits aufgeführten Inhalten alle drei angekündigten Season Passes on-top.


Ein unangenehm zerstückeltes Geschäftsmodell, das ich zumindest mit Blick auf die Premium-Variante weniger kritisch betrachte. Potenziellen Käufern frühzeitig spielerische Zukunftsaussichten aufzuzeigen und zu unterstreichen, dass dem erworbenen Rhythmus-Titel mit regelmäßigen DLCs zusätzliche Langlebigkeit verliehen wird, empfinde ich vielmehr als netten, da prinzipiell optionalen Bonus – sofern die eigentlichen Basis-Inhalte auch umfangreich genug ausfallen, um nicht den Eindruck eines heimtückischen Cashgrabs zu erwecken.


Mit 385 Songs, zahlreichen Charakteren, vielschichtigen RPG-Elementen und unzähligen freischaltbaren Schätzen hat indieszero allerdings ausreichend Content geliefert, um den Vollpreis guten Gewissens verlangen zu dürfen. Zudem verbergen sich hinter den drei Season Passes keine Must-Have-Klassiker der ikonischen Videospielserie, sondern neue Tracks anderer Square-Enix-Franchises wie Octopath Traveler, Chrono Trigger oder NieR. Fans dieser Reihen bekommen also die perfekte Gelegenheit, das überwältigende Liederrepertoire in Zukunft nochmals um einige musikalische Lieblinge zu erweitern. Eine DLC-Strategie, die ich ohne Frage befürworte.


Problematisch wird das Ganze jedoch mit Blick auf die Digital Deluxe Edition. Diese kündigt nämlich nicht etwa kommenden Songzuwachs an, sondern schneidet diesen einfach kurzerhand aus der finalen Version heraus, um ihn im Austausch mit noch mehr Kohle freizugeben. Zu allem Überfluss wurden hier neben einigen netten, mit zwei zugedrückten Fan-Augen aber auch vernachlässigbaren Remixes Klassiker wie Eyes On Me oder To Zanarkand in den Bezahlkäfig gepfercht, die aufgrund ihrer Wichtigkeit definitiv einen Platz im Standard-Sortiment verdient hätten. Ein Wermutstropfen, der in meinem Test unbedingt Erwähnung finden musste.


Gleichzeitig kam ich nach reichlicher Überlegung zu dem Schluss, dass diese kleine DLC-Bredouille keinen Einfluss auf meine abschließende Wertung haben wird. Denn auch ohne zusätzlichen Griff zum Portemonnaie bietet Theatrhythm Final Bar Line ausreichend Umfang, um stunden-, ja sogar wochenlang feinste Konsolenunterhaltung zu garantieren. In Anbetracht dieser Tatsache hätte ich nicht nur Square Enix' Geschäftsmodell, sondern auch den passionierten Entwicklungsprozess von indieszero abgestraft – und das hat das Team gewiss nicht verdient.


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Fazit


Mit Theatrhythm Final Bar Line liefern Square Enix und Entwicklerstudio indieszero den (bisherigen) Höhepunkt der hauseigenen Rhythmus-Reihe ab und präsentieren zugleich einen wundervollen Liebesbrief an die herausragenden Soundtracks der legendären Final Fantasy-Reihe, die ihren Status als musikalische Meilensteine der Videospielgeschichte zweifelsfrei verdient haben.


Neben einer wahrlich atemberaubenden Songauswahl, die mit 385 Titeln bereits in der Standard-Veröffentlichung aus allen Nähten platzt, beeindruckt vor allem das ebenso zugängliche wie auch fordernde Gameplay, das Profis sowie Anfänger gleichermaßen anspricht und in einen packenden Unterhaltungssog reißt. Gekonnt in das Gesamterlebnis integrierte RPG-Elemente sowie eine Vielzahl an freischaltbaren Belohnungen machen es dann auch verboten schwer, diesem wieder zu entkommen.


Zum 35. Franchise-Jubiläum feiert Theatrhythm Final Bar Line nicht einfach nur die Reihe als solche, sondern konzentriert sich bewusst auf den emotionalen Kern, der wohl bei allen langjährigen Fans wohlige Erinnerungen wecken dürfte: die unvergleichliche Musik. Dementsprechend kommen treue Final Fantasy-Anhänger, aber auch Genre-Liebhaber an diesem Rhythmus-Abenteuer kaum vorbei, sollten sich vor dem Kauf aber unbedingt auf einen strapaziösen Balance-Akt auf dem schmalen Grat zwischen Spielspaß und Wahnsinn einstellen – denn auf der Jagd nach dem ultimativen Highscore fällt dieser vor allem auf höheren Schwierigkeitsstufen wirklich erschreckend schmal aus.

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