Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon

Die zauberhafte Vorgeschichte der ikonischen Umbra-Hexe.


Man könnte annehmen, dass ein Entwicklerstudio nach der Veröffentlichung eines feinpolierten AAA-Blockbusters direkt in den Ruhe-Modus schaltet, um den kreativen Batterien eine verdiente Aufladungsphase zu gönnen. Die renommierte Videospielschmiede PlatinumGames scheint allerdings gänzlich andere Pläne zu haben und setzt lieber auf ein zweigleisiges System, mit dessen Hilfe ein hauseigenes Franchise zum fulminanten Doppelschlag ansetzt. Somit folgt auf Bayonetta 3 nicht etwa der temporäre Stillstand, sondern das abermals Switch-exklusive Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon.


Doch anstatt die Hauptreihe voranzutreiben und die Serienzukunft ins Visier zu nehmen, steht beim überraschend angekündigten Spin-off ausschließlich die Vergangenheit im Fokus. Die perfekte Gelegenheit, nicht nur den erzählerischen, sondern auch den inszenatorischen und spielerischen Säulen der Reihe einen kompletten Neuanstrich zu verpassen und damit nicht nur Fans einen angenehm frischen Wind, sondern Neulingen auch einen hervorragenden Einstiegspunkt zu präsentieren.


Doch ob PlatinumGames dem eigentlichen Bayonetta-Kern bei diesem ambitionierten Experiment tatsächlich treu bleiben konnte oder sich vor lauter Neuerungen und Umstellungen zu weit von eben diesem entfernt hat, das möchte ich euch in meinem magischen Test verraten.


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Schicksalshafte Waldwanderung


Fans wissen eine gute Origin-Story immer zu schätzen und freuen sich dabei primär über neue spannende Hintergrundinformationen, die einem geliebten Charakter weitere Persönlichkeitsfacetten verpassen. Ein Fakt, dessen sich Entwicklerschmiede PlatinumGames scheinbar ebenfalls bewusst war. Obwohl die Vergangenheit der mittlerweile zweifelsfrei legendäre Heldin Bayonetta nämlich im Rahmen der Hauptreihe bereits bruchstückhaft präsentiert wurde, dreht das Team die Franchise-Uhr kurzerhand zurück und konzentriert sich in Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon auf die Kindheit der ikonischen Action-Hexe. Anstatt einer toughen Dämonenjägerin mit epischen Moves treffen wir also auf die junge, verängstige Hexenschülerin Cereza, deren selbstbewusste Zukunft noch in weiter Ferne liegt.


Allerdings ist es eben diese zeitliche Distanz zur vollen Entfaltung ihres kräftetechnischen Potenzials, die Cereza in ein gefährliches Abenteuer lockt. Immerhin möchte sie ihre Mutter möglichst schnell aus der Gefangenschaft befreien, würde mit ihren unausgereiften Talenten jedoch bereits nach wenigen Sekunden brachial scheitern. Und während sie sich dem ersehnten Ziel durch das Training mit ihrer Lehrmeisterin Morgana nur quälend langsam nähert, spricht eine mysteriöse Person in ihren Träumen von einer im verbotenen Wald von Avalon verborgenen Kraftquelle, die das Unterfangen um ein Vielfaches beschleunigen soll. Ein Hoffnungsschimmer, den Cereza kaum ignorieren kann.


Problem an der Sache: Der kleine, aber gewichtige Namenszusatz Verboten kommt nicht von ungefähr. Denn laut Legenden sollen in dem magischen Ort gefährliche Feen hausen, die Hexen heimtückisch anlocken und sie anschließend auf ewig verschwinden lassen. Abschrecken lässt sich Cereza von solchen finsteren Gerüchten allerdings nicht! Dementsprechend schnappt sie sich ihren treuen Kuschelbegleiter Cheshire und betritt den Wald trotz aller Warnungen und Verboten mit einer Mischung aus Mut, Ehrfurcht und Todesangst – und muss schon nach kurzer Zeit schmerzhaft erkennen, dass sie all den unliebsamen Gefahren gänzlich hilflos ausgeliefert ist.


Doch in der Not taucht bekanntermaßen gerne unverhofft ein strahlender Retter auf. In diesem Fall ist es ein finsterer (also nicht ganz so strahlender) Dämon, der sich in Cerezas Plüschkatze einnistet und der jungen Hexe widerwillig seine schlagkräftige Unterstützung zusagt. Wer dahinter jetzt liebenswürdige Beweggründe vermutet, ist auf dem Holz... oder eher auf dem Waldweg. Vielmehr hat die Kreatur eine rasante Rückkehr nach Inferno im Auge, wofür allerdings die einzigartigen, derzeit aber leider noch nicht ausreichend ausgebildeten Zauberfähigkeiten der unfreiwilligen Wegbegleiterin benötigt werden. Der Beginn einer wundervollen Zweckgemeinschaft.


Mit vereinten Kräften muss sich das ungleiche Duo nämlich gegen die übernatürlichen Widrigkeiten des verbotenen Waldes behaupten und dabei nicht nur auf die geübten Stärken zurückgreifen, sondern zugleich eingefahrene Schwächen erfolgreich überwinden. Immerhin lauern gefühlt an jeder Ecke trügerische Fallen, denen man mit dämonischem Eigensinn oder andauernder Feigheit früher oder später zum Opfer fällt.



Märchenhafte Prequel-Erzählung


Bereits mit dem unerwarteten Ankündigungstrailer konnte das erzählerische Grundkonzept von Bayonetta Origins mein Interesse wecken, eröffnete zugleich jedoch auch den Raum für begründete Skepsis. Bot die Kindheit der langhaarigen Heldin tatsächlich ausreichend narrative Stabilität, um einen kompletten Vollpreistitel tragen zu können? Glücklicherweise handelte es sich hierbei um Zweifel, die bereits während der ersten beiden Kapitel im Nichts verpufften und sich im weiteren Verlauf des Abenteuers nur noch selten bemerkbar machen.


Dabei ist es gar nicht mal die Handlung an sich, die mich schlagartig in ihren Bann. Zwar weiß auch diese durchaus zu gefallen und beherbergt zudem einige phänomenal integrierte Anspielungen an die gefeierte Hauptreihe, wird von der zauberhaften Inszenierung stellenweise dann aber doch ein wenig in den Schatten gestellt. Anstatt sich nämlich konservativ auf den Stil der Vorgängern zu versteifen, lässt PlatinumGames der Kreativität freien Lauf und präsentiert Cerezas ominösen Waldmarsch als malerisches Bilderbuch, das mit einem herrlichen Märchencharme behaftet ist.


Actionreiche Zwischensequenzen mit filmreifen Kameraeinstellungen? Die sucht ihr in Bayonetta Origins vergebens! Hier wird von Seite zu Seite geblättert, während eine ältere Dame wundervoll-farbenfrohe Zeichnungen mit ihrer wohligen Stimme zum Leben erweckt. Direkt fühlte ich mich in meine Kindheit zurückversetzt, als mir meine Großmutter vor dem Schlafengehen noch eine kurze Geschichte erzählte und eigentlich erschreckend unheimlichen Ereignissen (Hallo?! Der Jäger schlitzt den Wolf einfach mal auf!) mit ihrer verbalen Klangfarbe einen gewissen Grusel wegnahm. Es ist beeindruckend, dass PlatinumGames diese Magie so vortrefflich einfangen konnte.


Im Mittelfeld zeigten sich dann allerdings dennoch einige qualitative Risse, von denen mich sogar diese hoch gelobte Magie nicht ablenken konnte. Nach einer vielversprechenden Einleitung und einiger gelungener Highlights gerät die spannende Reise im Mittelfeld dann nämlich temporär in einen Handlungsleerlauf, dessen katastrophal-ermüdendes Ausmaß dank der bereits ausführlich zelebrierten Inszenierung sowie der sympathischen Haupthelden glücklicherweise im Zaum gehalten wird. Dadurch mag sich der Stillstand zwar bemerkbar machen, verweilt jedoch auf einem akzeptablen, da nicht gänzlich langweilendem Niveau.


Und bevor dann doch der vorzeitige Spielabbruch droht, schaltet Bayonetta Origins in Richtung Finale blitzartig mehrere Story-Gänge nach oben und macht die vorher gedanklich deutlich stärker anwesenden Kritikpunkte vergessen. Keine Sorge, die Spoiler-Truhe werde ich an dieser Stelle selbstverständlich nicht öffnen. Doch den Drehbuchautoren Maho Miyata und der Videospiellegende Hideki Kamiya gelingt auf der Zielgeraden ein prächtiger Rundumschlag, der nicht nur die grundlegenden Kernthemen des Titels grandios abschließt und alle roten Fäden elegant zusammenführt, sondern zugleich die gesamte Serie und die Fans in seine Arme nimmt und dabei der Vergangenheit hoffentlich auch die Zukunft feiert.



Ein hexenstarkes Kuschelteam


Auch beim Gameplay sollten langjährige Hexen-Anhänger eine kurze Umgewöhnungszeit einplanen. Zwar übernehme ich erneut die Kontrolle über Bayonetta/Cereza und lotse sie durch eine relativ linear gestaltete Spielwelt, muss aufgrund des Mini-Formats der Heldin dabei jedoch auf geladene Stilettos verzichten und mich stattdessen auf das erfolgreiche Lösen überschaubarer Rätsel- sowie unversehrte Meistern kleinerer Hüpfeinlagen konzentrieren.


Natürlich kommt der überlange Titel des märchenhaften Abenteuer nicht von ungefähr, weshalb auch Dämon Cheshire in diesem Konstrukt eine existenzielle Rolle zukommt. Fungiert dieser in der unscheinbaren Kuscheltierform zunächst nämlich noch als knuddeliger Garant für moralischen Beistand, verwandelt er sich auf Knopfdruck in eine gigantische Bestie, die garstige Bedrohungen jeglicher Art mit blitzschnellen Zahn- und Krallen-Kombos problemlos bezwingen kann. Bei solch einem zuverlässigen (und mitunter äußert rabiat ans Werk schreitenden) Bodyguard fällt das Fehlen magischer Folterinstrumente erfreulicherweise überhaupt nicht auf.


Stellt sich mir während des Erkundungszugs also eine angriffslustige Feentruppe in den Weg, werfe ich kurzerhand Cheshire in den Ring und sorge mit brachialen Angriffsserien für Recht und Ordnung. Und da blinde Raserei auch in Bayonetta Origins nicht immer zum Erfolg führt, sollte perfekt getimtes Ausweichen mindestens an der zweiten Stelle eures strategischen Plans stehen, um Cheshires sowie Cerezas Gesundheitsleiste zu schützen und vielleicht sogar einen schmerzhaften Konter zu landen. Trotz minimaler Parallelen zum phänomenalen Kampfsystem der Hauptreihe wird dessen episches Niveau hier jedoch höchstens angekratzt.


Auf ansprechende Vielschichtigkeit muss dennoch nicht verzichtet werden. Denn auch Cereza möchte während der Gefechte zumindest ein leises Wörtchen mitreden und greift Cheshire mit einigen Anfängersprüchen tatkräftig unter die flauschigen Arme. Wird dieser beispielsweise von mehreren Feinden gleichzeitig ins Visier genommen, kann die Junghexe zumindest einen Fiesling mit ihren Dornenfesseln temporär lähmen und ihrem Partner somit ausreichend Zeit für einen vernichtenden Gegenschlag einräumen. Eine dämonisch-gute Zusammenarbeit, die in der Serienzukunft haarige Ausmaße annehmen wird.



PlatinumGames lädt zur Gehirngymnastik


Zugegeben: Vom Hocker dürfte dieser Gameplayaspekt wohl niemanden werfen dürfen. Zwei Helden, die sich mit ihren individuellen Fähigkeiten gegen eine übermächtige Gegnerschar beweisen müssen? Ein alter Genre-Hut, der spätestens seit dem Koop-Trend gerne aus der Entwicklungsgarderobe geholt wurde. Doch auch an dieser Stelle gibt sich PlatinumGames nicht einfach mit dem Standard zufrieden, sondern peppt die zweiköpfige Teamkonstellation dank eines simplen Kniffs gehörig auf: Mit einer Twin-Stick-Steuerung!


Zu Beginn meines Tests ging ich noch davon aus, dass ich per Knopfdruck jederzeit zwischen Cereza und Cheshire hin- und herspringen und die Kontrolle über den jeweils anderen Charakter an eine ausgeklügelte KI übergeben kann. Stattdessen ist der linke Joy-Con-Stick für die Hexenschülerin reserviert, während der rechte einzig und allein der Bewegung des hilfreichen Dämonen dient. Eine simple, aber fantastisch umgesetzte Idee, die mir auf dem Schlachtfeld mehr Flexibilität eröffnet und auch den Unterhaltungsfaktor um ein Vielfaches verstärkt.


Abseits der Actionpassagen kommt diese duale Steuerungsgymnastik ebenfalls zum Einsatz. Immerhin erfordern auch die zahlreichen Rätsel optimales Teamwork, wobei ich Hexe und Kuschelkatze nicht nur an den richtigen Stellen positionieren, sondern zugleich darauf achten muss, dass sich diese sich nicht zu weit voneinander entfernen – in diesem Fall werden ambitionierte Lösungsansätze nämlich direkt im Keim erstickt und Cerezas Begleiter seiner Kräfte beraubt. Situationen, in denen das Gehirn gerne mal zu kochen beginnt. Zum Glück bietet Bayonetta Origins ausreichend ruhige Momente, in denen Cheshire in den Kuscheltiermodus wechseln darf und meinem Gedankenzentrum dadurch willkommene Pausen gegönnt werden – denn dann beschränkt sich meine Steuerungspflicht temporär einzig und allein auf die junge Heldin.


Abenteurer mit enorm dünnem Nervenkostüm werden stellenweise aber dennoch tief ein- und hoffentlich beruhigt ausatmen müssen. Sicherlich mag das spielerische Gesamtkonzept durchdacht und vortrefflich implementiert sein, kurzzeitige Verwirrung, visuelles Chaos und heilloses Durcheinander stehen aber dennoch an der Tagesordnung und sorgen nicht selten dafür, dass ich einen meiner Charaktere blindlings in eine bedrohliche Lage marschieren lasse. In besonders hektischen Gefechten mit mehreren Feinden den roten Konzentrationsfaden zu verlieren und die Sticks schlagartig zu verwechseln darf aber gewiss als nachvollziehbarer Fehler bezeichnet werden, der sogar geübten Profis gerne mal unterläuft.


Wurde das Gehirn allerdings ausreichend trainiert und die gleichzeitige Steuerungsgymnastik gemeistert, avanciert diese oberflächlich betrachtet simple, in der Praxis aber angenehm fordernde Mechanik problemlos zu einem der ganz großen Highlights von Bayonetta Origins. Cereza und Cheshire parallel zum Ziel oder auch zum glorreichen Sieg zu führen, macht einfach nur enorm viel Laune und sorgt dafür, dass aus vorrübergehender Konfusion resultierende Fehlschläge nicht als KO-Kriterium, sondern vielmehr als Chance zur nachhaltigen Verbesserung gewertet werden.



Klettert auf den Talentbaum, pflückt euch einen Kräftetraum!


Im Stil der Hauptreihe präsentiert mir PlatinumGames zu Beginn von Bayonetta Origins allerdings nur das Fundament eines mehrdimensionalen Kampfsystems, dessen vollständiges Potenzial erst durch das komplette Freischalten zweier Talentbäume (einer für Cereza, einer für Cheshire) entfesselt wird. Logischerweise dürfen wir diese nicht nach Belieben abpflücken, sondern müssen zunächst zuvor eingesammelte Avalonkonfekte, Onyxrosen, Mondperlen und Höllenfrüchte investieren, um unserem Repertoire neue Fähigkeiten hinzufügen zu können.


Besonders cool: Obwohl ich meine beiden Helden individuell aufwerten darf, greifen alle neuen Skills stets grandios ineinander, erlauben mir also auch das Optimieren meines taktischen Vorgehen. Beispielsweise konnte Cereza nach einigen Stunden mehrere Feen gleichzeitig fesseln, während Cheshire neben neuen Ausweichmanöver auch das gnadenlose (und jahrelangen Fans sicherlich nur allzu bekannte) Verschlingen erlernte. Nach und nach eröffneten sich mir weitere Angriffsmöglichkeiten, deren Einsatz mir unglaublich viel Freude bereitet und zudem vortrefflich beim Verinnerlichen des parallelen Kontrollwahnsinns half.


Das reicht euch noch nicht? Kein Problem, schüttelt PlatinumGames im Spielverlauf dann doch auch noch elementare Fähigkeiten aus dem Entwicklerärmel. Somit muss sich Cheshire anfangs zwar noch mit popeligen Nahkampfattacken zufriedengeben, erhält dann aber nach und nach Zugriff auf Feuer-, Wasser-, Holz- und Steinkräfte, die ihn zum Rank eines beeindruckend wandlungsfähigen Dämonen erheben. Dahinter versteckt sich natürlich kein simples Gimmick, verbergen einige Feinde doch eine Schwachstelle, die nur mithilfe des korrekten Elements ausgenutzt werden kann. Einen Mangel an spielerischer Tiefe braucht sich das Prequel-Spin-off also definitiv nicht ankreiden zu lassen.


Ganz ohne Wermutstropfen kommt dieser Part dann aber leider doch nicht aus. Denn obwohl die kämpferischen und gedanklichen Herausforderungen in Richtung Abspann immer knackiger werden und auch die Doppelstick-Steuerung zu kniffeligen Situationen führt, verbleibt der Schwierigkeitsgrad oftmals auf einem mittleren Niveau, fällt gelegentlich sogar in viel zu leichte Gefilde ab. In die unterfordernde Simplizität mag Bayonetta Origins zwar nicht verfallen, eine Stufenauswahl zu Beginn des Abenteuers wäre dennoch wünschenswert gewesen. Schade, dass diese erst nach dem erstmaligen Beenden als anwählbare Option hinzugefügt wird.



Eine magische Reise voller Geheimnisse


Zweifelsfrei ein kleines Versäumnis, das Bayonetta Origins mit einer designtechnischen Stärke jedoch virtuos umtanzen und zu einer mentalen Randnotiz verwandeln kann. Da die soeben vorgestellten Elementarkräfte nämlich nicht nur beim schlagkräftigen Stelldichein mit fiesen Kreaturen, sondern auch beim Erforschen des traumhaft-magischen Schauplatzes eine entscheidende Rolle spielen, wird meine volle Aufmerksamkeit von etwaigen Kritikpunkten auf die verborgenen Mysterien des verbotenen Waldes gelenkt.


Denn neben einer detailverliebten Märchenpräsentation verpasst PlatinumGames diesem noch eine ordentliche Metroidvania-Prise. Habe ich mir also eine neue Fähigkeit erkämpft, werde ich förmlich zu kurzen (manchmal sogar überraschend ausgedehnten) Backtracking-Ausflügen eingeladen, bei denen ich bisher verschlossene Gebiete zugänglich mache, versteckte Geheimnisse sowie Gegenstände enthülle und die vorherrschende Linearität gelungen aufbreche. Ein Heidenspaß für alle Komplettionisten, die jeden noch so kleinen Winkel der Karte entdecken und alle Sammelobjekte auf der eingeblendeten Checkliste in ihren Besitz bringen wollen... oder vielleicht sogar müssen.


Dimensionen eines Open-World-Titels werden zwar nicht erreicht, das dadurch hervorgerufene Freiheitsgefühl war allerdings einer der Hauptgründe, weshalb die Motivationskurve während meines Tests kaum absinken wollte. Ich brauche eine kurze Pause von der Handlung? Kein Problem, laufe ich mit meiner neuen Feuerkraft einfach mal durch die Gegend und schaue, welche alternativen Wege ich damit freiräumen kann. Ein blindes Vorgehen, das aber fast immer mit einigen tollen Entdeckungen – darunter beispielsweise Irrlichter, Schatztruhen oder Aufzeichnungen – belohnt wird, den virtuellen Bann des Waldes also zuverlässig aufrechterhält. Und wer fleißig sammelt oder bei Mini-Dungeons mit Zeitherausforderungen dank spielerischem Können eine Goldmedaille ergattert, freut sich zudem über alternative Outfits für Cereza und Cheshire. Bayonetta Origins erinnert auch in dieser Hinsicht an ein farbenfrohes Bilderbuch, in dem auf den ersten, zweiten und auch den dritten Blick etwas Neues entdeckt werden kann.


Schlussendlich betrug meine Gesamtspielzeit knapp 18 Stunden, in denen ich mich dank entzückender Zwischensequenzen, vielschichtiger Duelle, freischaltbarer Fähigkeiten und entlegener Trampelpfade niemals langweilte. Dass es kaum Gründe für einen weiteren Durchgang gibt, fällt dementsprechend kaum ins Gewicht. Klar, die neue Schwierigkeitsstufe mag Genre-Veteranen zu einem weiteren Spaziergang einladen, ansonsten erwartet euch nach Sichtung des Abspanns aber nur noch ein zusätzliches Kapitel, auf das ich aus Spoilergründen nicht weiter eingehen möchte. Doch ein gutes (Videospiel-)Märchen muss überhaupt nicht mehrmals gelesen werden, um ans Herz zu gehen. Und auch ohne Wiederspielwert ist PlatinumGames diese Aufgabe mit der emotionalen Vergangenheit der legendären Umbra-Hexe hervorragend geglückt.


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Fazit


Mit der Veröffentlichung von Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon bewies die namhafte Videospielschmiede PlatinumGames wahren Mut, hätte dieser Schritt doch fraglos nach hinten losgehen und sich als unerwünschter Sargnagel entpuppen können. Fast alle gefeierten Elemente der grandiosen Haupttrilogie über Bord werfen und stattdessen ein völlig neues Handlungs-, Inszenierungs- und Gameplayufer anvisieren? Ein Wagnis, das in der Praxis erfreulicherweise von qualitativem Erfolg gekrönt ist. Denn das Spin-off bringt nicht nur frischen Wind in das Franchise, sondern präsentiert sich zudem als wahres Pflicht-Abenteuer für Switch-Besitzer.


Den verbotenen Wald mit Hexenschülerin Cereza und Dämon Cheshire zu erkunden, kleinere Rätseleinlagen zu meistern, verborgene Geheimnisse zu enthüllen und monströse Kreaturen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Fähigkeiten zu vermöbeln macht nicht nur außerordentlich viel Spaß, sondern funktioniert zugleich als perfektes Alternativprogramm zu den actionreichen Kämpfen der Vorgänger. Währenddessen garantiert die ebenso liebevolle wie auch detailverliebte Bilderbuchpräsentation einen märchenhaften Hochgenuss, dessen atmosphärische Wirkungskraft von Anfang bis Ende ungebrochen bleibt. Kein Wunder, dass erwähnenswerte Schwächen wie die zunächst gewöhnungsbedürftige und auch anschließend stellenweise verwirrende Twin-Stick-Steuerung sowie ein insgesamt recht niedrig angesetzter Schwierigkeitsgrad durch solch ein enorm positives Gesamtbild spielend leicht in die Nichtigkeit abgedrängt werden.


Dass PlatinumGames solch ein gelungenes Experiment wenige Monate nach Bayonetta 3 auf den Markt bringt und damit eindrucksvoll unterstreicht, dass die Reihe nicht zum Opfer der heutzutage vorherrschenden, innovationslosen Sequel-Maschinerie verkommt, wird vor allem für Fans der ersten Stunde eine wahre Wohltat darstellen. Es bleibt zu hoffen, dass nach dem qualitativen nun auch der kommerzielle Erfolg eintritt, damit solch ein couragiertes Vorgehen zum Standard und Hexe Bayonetta neben ihren AAA-Action-Blockbustern auch mit kreativen Nebenabenteuern beschenkt wird. Verdient hätte es Bayonetta Origins: Cereza and the Lost Demon definitiv.

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