Der Mann hinter VIRGIN MOUNTAIN
Regisseur Dagur Kári im Interview
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Kinostart: 12. November 2015
Regisseur Dagur Kári darf trotz seiner jungen 41 Jahre bereits auf
eine sehenswerte Karriere zurückblicken. Fernab von teuren
Hollywood-Blockbustern und mit Computereffekten gefüllten Actionfilmen
konzentrierte sich der isländische Filmemacher auf die facettenreiche
Menschlichkeit und die Gedankenwelt einzigartiger Persönlichkeiten. Und
feierte hiermit internationalen Erfolg.
Mit seinem neusten Werk VIRGIN MOUNTAIN setzt Dagur Kári seinen
Erfolg nun fort. Dieser feierte seine Weltpremiere auf der Berlinale,
gewann drei Preise auf dem Tribeca Film Festival und erhielt zudem den
begehrten Filmpreis des Nordischen Rates. Ein Erfolg, für den Dagur Kári
keine gigantischen Budgets oder weltweit bekannte Schauspieler
brauchte. Nur viel Leidenschaft, Liebe für seine Figuren und
Menschlichkeit.
Zum deutschen Kinostart von VIRGIN MOUNTAIN am 12. November
präsentieren wir ausgewählte Auszüge aus einem Interview mit Dagur Kári.
Und zeigen auf, weshalb die Geschichte rund um den Außenseiter Fúsi
ohne jede Frage als neuer Höhepunkt in der Filmographie des Regisseurs
bezeichnet werden darf.
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VIRGIN MOUNTAIN handelt vom Erwachsenwerden eines eigentlich
längst erwachsenen Mannes, der aufgrund seiner körperlichen Verfassung
ein Außenseiter ist. Das Thema erinnert durchaus an Ihr Spielfilmdebüt
NOÍ ALBÍNÓI und bis zu einem gewissen Grad auch an DARK HORSE. Was
interessiert Sie so sehr an solchen Außenseiter-Figuren?
Es ist eigentlich keine bewusste Entscheidung von mir, immer wieder
Außenseiter zu zeigen.
Mir geht es einfach darum Figuren zu erschaffen, die so interessant
wie möglich sind. Und
Menschen, die ein bisschen neben der Spur oder fehl am Platz sind,
ziehen einfach spannendere Situationen nach sich als solche, die sich
überall anpassen können. Darauf liegt mein Fokus: auf der Figur und der
Situation. Aber der Begriff Außenseiter schwirrte mir eigentlich nie
durch den Kopf bevor die Journalisten anfingen, mich darauf hinzuweisen.
VIRGIN MOUNTAIN ist eher eine intensive und radikale
Charakterstudie als eine romantische Komödie, auch wenn man nicht ganz
falsch läge, den Film als Islands Antwort auf 40 (MÄNNLICH), JUNGFRAU,
SUCHT... zu beschreiben. Auf jeden Fall haben Sie sich entschieden, sich
nicht auf die Klischees von Beziehungskomödien einzulassen und so nah
wie möglich an der Realität zu bleiben. Warum?
Sobald man so ein Junge trifft Mädchen-Element in seinen Film
einbaut, schaltet die Geschichte eines Films leider ein bisschen auf
Autopilot. Alles wird sehr vorhersehbar, deswegen wollte ich diesem
Klischee ganz bewusst einen Twist verpassen. Ich fand außerdem, dass
unser Protagonist Fúsi einen anderen Schluss brauchte. Das Ende sollte
gleichzeitig ganz klein, aber eben doch auch ganz groß sein. Denn was
für uns etwas vollkommen Normales ist, ist für Fúsi ein bahnbrechender
Schritt.
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Wie sind Sie auf Gunnar Jónsson gestoßen? Haben Sie das Drehbuch für ihn geschrieben?
Gunnar war vor etwa 15 Jahren der Sidekick in einer Satire-Sendung im
isländischen Fernsehen. Das war das erste Mal, dass ich ihn wahrnahm,
und in gewisser Weise war es Liebe auf den ersten Blick. Ich merkte
sofort, dass er ein Naturtalent ist und hatte den großen Wunsch, ihn mal
in einer dramatischen Hauptrolle zu sehen. Deswegen habe ich das
Drehbuch explizit für ihn geschrieben. Er ist der Film und ohne ihn
hätte ich ihn nicht gedreht. Sein Talent ist enorm und seine Präsenz auf
der Leinwand meiner Meinung nach einzigartig. Obwohl er kein klassisch
ausgebildeter Schauspieler ist, ist er unglaublich professionell und
präzise. Ich will ihn von nun an am liebsten in jedem meiner Filme
besetzen.
Woher nehmen Sie als Regisseur und Autor Ihre Inspiration?
Inspiration kommt von überall und nirgends - und ohne Frage immer in
Wellen. Es gibt Phasen, in denen ich mich vollkommen leer fühle. Aber
ich habe gelernt, dass diese Phasen wirklich wichtig sind, denn in denen
arbeitet dein Unterbewusstsein auf Hochtouren und in der Regel folgt
danach immer eine höchst produktive Phase.
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Was macht VIRGIN MOUNTAIN zu einem universellen Film, der Menschen auf der ganzen Welt anspricht?
Es ist die inspirierende Geschichte eines Mannes, der den
entscheidenden Schritt in sein
weiteres Lebens macht. Damit können die meisten Menschen etwas
anfangen, hoffe ich.
Außerdem kennen wir alle dieses Schuldgefühl, einen anderen Menschen
falsch beurteilt zu
haben. Das schlechte Gewissen, das die westliche Welt tief in ihrem
Inneren mit sich herumträgt, hat seine Wurzeln in dieser Schuld. Während
der Arbeit im Schneideraum spielte ich den Film einmal rückwärts ab und
machte eine dazu passende Entdeckung: der Name unseres Protagonisten
Fúsi klingt rückwärts gesprochen wie Jesus. Nicht in der Schreibweise
natürlich, aber eben in der Aussprache. Ein sehr netter Zufall.
Wer sich das Meisterwerk des isländischen Regisseur nun direkt
anschauen möchte, der muss sich leider noch bis zum 12. November
gedulden. An diesem Tag startet VIRGIN MOUNTAIN nämlich endlich in den
deutschen Kinos und lässt uns am besonderen Leben des Außenseiters Fúsi
teilhaben. Und unterstreicht abermals, weshalb Dagur Kári aus der
Filmwelt nicht mehr wegzudenken ist.